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Arrival – Kritik

Kommunikation. Es gibt nur wenige Dinge, die so wichtig sind wie der Dialog. Sämtliche Errungenschaften lassen sich aus dem Zusammenwirken verschiedener Kräfte ziehen. Unmöglich wäre es aber, einen Schritt voranzukommen, wenn keinerlei Austausch stattfinden würde. Doch Kommunikation ist alles andere als einfach und in den meisten Fällen ihr eigenes Mysterium. Angefangen bei Worten, die alleine in einer winzigen Nuance Welten verändern können bis hin zu anderweitigen Formen gegenseitiger Verständigung. Ebenso vereint das Medium Film zahlreiche Wege, um Geschichten und Gefühle zu transportieren. Gleichzeitig wird es – früher oder später – immer einen Punkt geben, der sich wie eine Sackgasse anfühlt.

Auch in Arrival, Denis Villeneuves einnehmendem Science-Fiction-Film, ereignet es sich, dass die gesamte Menschheit – nach all den Erfahrungen, die sie im Lauf der Vergangenheit mühsam gesammelt hat – diesen schicksalhaften Punkt erreicht und nicht einmal dazu in der Lage ist, „Hallo“ zu sagen. Es ist frustrierend und verblüffend, genauso wie der Film selbst, der vor seiner immensen Bedeutung nahezu selbst erzittert. Letzten Endes darf er das aber auch, weil es so unfassbar wichtig ist, den Dialog anzustreben und in der Kommunikation eine Lösung zu finden. Abgesehen davon: Sollte das Überleben der Menschheit tatsächlich von Amy Adams abhängen, müssen wir keine Sorgen mehr machen.

Basierend auf der 1998 veröffentlichten Kurzgeschichte Story of Your Life von Ted Chiang erzählt Arrival die Geschichte des ersten Kontakts, wie sie schon lange nicht mehr ihren Weg ins Kino gefunden hat, nämlich als audiovisuell atemberaubendes und thematisch höchst brisantes Abenteuer. Wo etwa Roland Emmerich mit seiner erneuten Alien-Invasion am Unabhängigkeitstag übereifrig im Spektakel erstickte, wählt Denis Villeneuve eine Herangehensweise, die geradezu als Antithese zum überbordenden Bombast von Independence Day: Resurgence gewertet werden kann: Arrival ist ein leiser, ein nachdenklicher Film – und dennoch gelingt es ihm, dafür zu sorgen, dass die Welt komplett aus den Fugen gerät.

Zwölf muschelförmige Raumschiffe erscheinen an zwölf verschiedenen Orten auf der Erde. Keine Explosionen, kein Krawall – womöglich hätte es auch keine Menschenseele bemerkt, würden sie nicht knapp über den Erdboden schweben und somit aus dem Gewöhnlichen herausstechen. Ansonsten reihen sie sich aber tadellos in die Landschaft ein, wirken keineswegs wie Fremdkörper, sondern vollenden das Panorama von Meeren, Bergen, Tälern, Wiesen, Wäldern und Metropolen. Wo die Außerirdischen ansonsten für gewöhnlich zerstören, fühlt sich die Ankunft der fremdartigen Spezies in Arrival wie der letzte, fehlende Baustein in einem viel komplexeren, viel größeren Konstrukt an. Trotzdem herrscht keine Harmonie, ganz im Gegenteil: Panik bricht aus.

Zuerst ist es eine stille Panik, eine ungewisse Panik. Menschen versammeln sich vor Bildschirmen, ungläubig bezeugend, was sie da sehen. Auf dem Parkplatz kommt es dann schon zur größeren Hektik und kurze Zeit später befindet sich die gesamte Erdbevölkerung in Aufruhr, während sich die unerwarteten Gäste in aller Seelenruhe nicht einen Zentimeter vom Fleck bewegen. Genau diese Ruhe aber ist es, die so wahnsinnig macht. Tausend Fragen und keine Antworten: Zweifelsohne greift in diesem Moment die schlimmste Kombination um Angst in eine zerstörerischen Kraft zu verwandeln. Sogar eine Spekulation geht in diese Richtung: Die Aliens warten nur darauf, dass sich die Menschen gegenseitig an die Gurgel gehen.

Dennoch existiert in Arrival eine zweite Version des irdischen Lebens. Eine, die durchaus gewillt ist, den Dialog aufzubauen und flüssige Kommunikation zu etablieren – nicht nur mit den Fremden, sondern auch mit den eigenen Artgenossen. Als Dr. Louise Banks (Amy Adams) und Ian Donnelly (Jeremy Renner) von Colonel Weber (Forest Whitaker) rekrutiert werden, gelangen sie in ein wohl organisiertes Krisenzentrum, das den regen Austausch mit den anderen elf betroffenen Standorten fördert. Es gleicht einer Utopie von Gemeinschaft und Gesellschaft, wie sie nur im Angesicht einer solchen Bedrohung existieren kann. Nicht lange dauert es folglich, bis sie zerbricht. Dann steht dem Unabwendbaren nichts mehr im Weg.

Doch was ist dieses Unabwendbare eigentlich? Arrival liefert – wie auf so viele Dinge – keine Antworten und erweist sich dahingehend gleichermaßen als anstrengende, ermüdende Geduldsprobe wie als inspirierendes, aufregendes Gedankenspiel. Immer wieder schwillt Jóhann Jóhannsson bedrohlicher Score im Hintergrund an, vermischt sich mit den unklaren Lauten aus dem Raumschiff und durchkreuzt jegliche melancholische Harmonie, die Max Richters Stück On the Nature of Daylight im berührenden, intimen Prolog aufgebaut hat. Nie können sich Louise und Ian bei ihrer Arbeit sicher sein. Die Wahrscheinlichkeit der Niederlage dominiert die Stimmung in Arrival bedeutend mehr als die des Erfolgs.

Dementsprechend beschwört Denis Villeneuve überwiegend eine bedrückende Atmosphäre, die alleine in ihren tristen Bildkompositionen niederschmetternder ist als jeder Regentag. Kameramann Bradford Young, der zuletzt unter anderem Ain’t Them Bodies Saints, Selma und A Most Violent Year in farbkräftige Filme verwandelte, die mit unglaublicher Wucht die Leinwand in ein poetisches Paradies verwandelten, verliert sich in Arrival in einer unterkühlten Welt, die grau und grün ist und perfekt auf dem schmalen Grat zwischen Isolation und Partizipation wandelt. Manchmal blitzt ein helles Blau aus dem Jenseits in die Szenen, noch die meiste Zeit über fallen unbändige Nebelschwaden in die sorgfältig gewählte Szenerie, als wäre es unmöglich, je einen vollständigen Durchblick zu erhalten.

Metaphorisch und parabelförmig waren schon Denis Villeneuves vorherige Werke. Im Gegensatz zum bedeutungsschwangeren Enemy prahlt Arrival allerdings nicht mit der eigenen Klugheit und entsagt der penetranten Angst vor Spinnen. Zwar steht nie außer Frage, dass sich die Erzählung des ersten Kontakts gerne als Kommentar versteht, allerdings ist es weniger einer der vernichtenden, wertenden als einer der aufbauenden, konstruktiven Sorte. Tief im Inneren versteckt sich in Arrival vielleicht sogar kitschiger, unerträglicher Film – aber nur, weil er in einzelnen Sequenzen so naiv und aufrichtig ist, das es schwer fällt, die hoffnungsvolle Seite widerstandslos zu akzeptieren.

Arrival ist ein richtiger Science-Fiction-Film, der nach einer besseren Zukunft strebt und an Visionen glaubt, selbst wenn er dabei über die eigenen Beine stolpert. Es ist ein außergewöhnliches Erlebnis, diesen Assoziationen zu lauschen, sich in ihnen zu verlieren und, ja, vom eigentlichen Geschehen abzudriften. So sehr sich Denis Villeneuve, Jóhann Jóhannsson und Bradford Young um den Fokus bemühen: Arrival funktioniert exakt in dem Augenblick am besten, in dem er alle wahrnehmbaren Einflüsse hinter sich lässt und alleine mit seiner – durchaus wagemutigen – Hingabe für die Idee begeistert. Dann stockt der Atem, wenn eine Hand eine Glasscheibe berührt und von der anderen Seite das gleiche passiert. Kommunikation.

Arrival © Sony Pictures