Bruce Wayne (Christian Bale) fällt in einen Brunnen, ein tiefes Loch, aus dem er sich mit eigenen Kräften nicht retten kann. Es ist der Vater, der ihn wieder ans Licht holt und sogleich auch die Lektion hinter seinem Sturz mit tröstenden Worten erklärt: Wir fallen, damit wir lernen, wieder aufzustehen. Ein geradezu unerhörter Optimismus, besonders in einer Stadt wie Gotham, in der das Verbrechen nahezu jeden Bereich infiltriert und die Kontrolle über die Metropole somit an sich gerissen hat. Der Pulsschlag von Gotham ist ein verdorbener. Niemand blickt hier nach oben.
Die Korruption hat das Vertrauen unter den Menschen zerstört, für Idealisten ist hier kein Platz mehr. Dennoch baut der große Träumer und Milliardär Thomas Wayne (Linus Roache) eine Hochbahn, die aus der Finsternis hinausführt und die Stadt verbindet. Sie wirkt wie ein Wunder inmitten des verkommenen Molochs und strahlt in ihrer futuristischen Erscheinung ein ungewohntes Gefühl von Zuversicht aus. Das goldene Licht einer aufgehenden Sonne fällt durch die Scheiben, aus denen der junge Bruce nun starrt und die Dunkelheit seines vorherigen Verlieses für einen Moment vergessen kann.
All die Tragik der Batman-Mythologie verschwindet für einen hoffnungsvollen Augenblick. Christopher Nolans Dark Knight-Trilogie kehrt trotzdem immer wieder an jenen Ort in der Tiefe zurück und folgt ihrem Protagonisten bei jedem weiteren Aufstieg und Fall. Regelmäßig stürzt der Dunkle Ritter in einen Schlund, der dem Tor zur Hölle gleicht, vielmehr aber das Unterbewusstsein einer Stadt ist, die peitschend um sich schlägt, manchmal aber auch wie gefroren in der Dämmerung liegt und jeglichen Hauch von Leben vermissen lässt.
In Batman Begins dampft es noch an allen Ecken, die Stimmung ist eine fiebrige und gelblich-bräunliche Farben dominieren die Geburtsstunde eines Vigilanten, der die Öffentlichkeit spaltet, vor allem aber mit seiner Härte einschüchtert. Sein Schatten zieht sich über den Nachthimmel, ehe seine Faust erbarmungslos zuschlägt und die raunende Stimme von unerschütterlicher Entschlossenheit zeugt. Wo Bruce Wayne im Angesicht des Flügelschlags einer Fledermaus zerbricht, formt die Batman-Maske aus dieser Angst eine eiserne Fassade.
Unzerstörbar scheint der Rächer und trotzdem schauen wir hier einem Superhelden beim Sterben zu, denn Zerfall ist ein weiteres der bestimmenden Leitmotive, die sich durch Christopher Nolans Batman-Filme und Gothams Straßen ziehen. In einer deutlich kühleren Ästhetik entdeckt The Dark Knight in diesen Straßen das Geröll der Unberechenbarkeit. Ein Agent des Chaos treibt sein Unwesen, der sich zwar nicht wie sein Vorgänger in einen fleischgewordenen Albtraum verwandelt, sehr wohl aber in einen Kontrahenten, der es schafft, die Rüstung zu durchdringen.
Kein Wunder, dass die Stadt erstarrt und die giftigen Dämpfe verschwinden, genauso wie die Hochbahn die einst einen Überblick verschaffte, jetzt aber nirgends mehr zu entdecken ist. Jetzt herrscht nur noch Kälte. Identitäten werden verbogen, verfälscht, womöglich sogar ausgelöscht. Sei es das Gesicht der Stadt, des Batmans oder des Jokers (Heath Ledger), dessen Make-up für einen fließenden Übergang der Grenzen sorgt. Er lässt sich nicht fassen, nicht greifen, nicht packen – und brennt sich trotzdem mit einem unbehaglichen Surren in die Filmmusik und das Gedächtnis des Publikums.
Es erfordert unbeschreibliche Opfer von den wenigen verbliebenen Idealisten, um dieses Chaos aufzuhalten. Ein Brief, dessen Zeilen nie den Adressat erreichen. Eine Lüge, die die Zukunft ermöglicht. Selbst wenn der Batman dieses Mal den Sturz in Gothams Unterwelt freiwillig in Kauf nimmt, sorgt die Last, die er auf seine Schultern geladen hat, für ein Schaudern. Noch ungeheuerlicher ist aber all das, was Detective Gordon (Gary Oldman) schweigend zur Kenntnis nimmt. Sein Einsatz war immer schon der größte und trotzdem ist er der, der am Ende die eigene Schöpfung einreißen muss.
Dann fällt der Schnee. Während Gordon jeden Tag mit der Bürde eines manipulierten Narrativs zu kämpfen hat, bekommt der Dunkle Ritter in The Dark Knight Rises das Rückgrat gebrochen und findet sich im tiefsten Loch seines Lebens wieder. Jetzt kann er nur noch klettern, doch der nackte Stein wirft ihn zurück, genauso wie sich Gotham unter den Kommando eines Terroristen in einen Kriegsschauplatz verwandelt und keines der erbrachten Opfer etwas verändert hat. Angst verseucht erneut die eisige Luft und die Überzeugung, nach dem Fall, wieder aufzustehen, verschwindet mit jedem weiteren Tag, der vergeht.
Ein letztes Mal muss Bruce Wayne seine Kräfte zusammenraffen und einen jener Sprünge wagen, die ihn im Verlauf der Filme immer wieder über die größten Abgründe katapultierten, nicht selten unterstützt von einem Fahrzeug, das in seiner ursprünglichen Version dafür geschaffen wurde, um dort Brücken zu errichten, wo keine sind. Diesmal muss sich Bruce Wayne allerdings von jeglicher Ausrüstung verabschieden und selbst das Seil loslassen, das ihm im Notfall vor dem tödlichen Sturz in die Tiefe retten würde. Der gebrochene Mann hechtet in das Licht und entkommt den Schatten, die ihn zuvor verschlungen haben.
Die Rückkehr nach Gotham gestaltet sich dementsprechend als furioses Manöver, das den Dunklen Ritter in die Lüfte treibt – so hoch hinaus wie noch nie zuvor. Es gilt nicht mehr, ins Herz der Stadt vorzudringen, um die Welt zu retten, sondern dieses so weit wie möglich hinter sich zurückzulassen. Mit einem Fall beginnt Christopher Nolans Batman-Geschichte, mit einem Sprung in den Himmel endet sie. Dazwischen sorgen vor allem die stillen Opfer für Gänsehaut, sodass zum Schluss ein Blick genügt, um mit der ergreifendsten Geste der gesamten Trilogie zu versöhnen und neue Hoffnung zu stiften.
The Dark Knight/The Dark Knight Rises © Warner Bros.
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