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Aus dem Nichts – Kritik

Aus dem Nichts kommt in Fatih Akins neustem Film nichts. Wenngleich der Titel etwas anderes behauptet, so brodeln die grundlegenden Konflikte des Rachedramas schon lange in der Gesellschaft und sind tief im Inneren der Menschen verankert. Dabei fängt alles so hoffnungsvoll an, als der türkischstämmige Drogenhändler Nuri Sekerci (Numan Acar) im Gefängnis zu sich findet, ein BWL-Studium aufnimmt und schließlich seine langjährige Freundin Katja (Diane Kruger) heiratet. Kaum ist er jedoch wieder freien Fußes, soll er mitsamt seinem Sohn bei einem Attentat auf sein Übersetzungsbüro ums Leben kommen. Katja ist am Boden zerstört, insbesondere, als die Polizei im Zuge ihrer oberflächlichen Ermittlungen von einem Verbrechen aus dem Drogenmilieu ausgeht. Erst später rücken Neonazis in den Vordergrund.

André (Ulrich Friederich Brandhoff) und Edda Möller (Hanna Hilsdorf) sollen für den Mord an ihrem Ehemann und ihrem sechsjährigen Sohn verantwortlich sein. Katja hegt keinen Zweifel, nicht zuletzt hat sie nur wenige Minuten vor dem Attentat eine blonde Frau beobachtet, die in ihrer Erinnerung Edda verblüffend ähnlich aussieht. Was folgt, ist ein moralisches Dilemma, in dem mit haarspalterischer Präzision versucht wird, die jeweils andere Partei in ihren Lügen zu entlarven. Aus dem Nichts fängt gekonnt die angespannte Grundstimmung ein und lässt im Angesicht ausbleibender Gerechtigkeit den Zorn kochen. Wut und Hass ziehen sich durch das nachfolgende Gerichtsverfahren, bei dem Katja von dem befreundeten Anwalt Danilo Fava (Denis Moschitto) nicht nur professionellen, sondern vor allem seelischen Bestand erhält.

Fatih Akin investiert sehr viel Zeit, um die Situation aus allen Blickwinkeln möglicher Argumentationen zu beleuchten. Besonders Haberbeck (Johannes Krich), der Verteidiger des Neonazi-Pärchens, provoziert dabei in seiner dreisten Gelassenheit die Eskalation der Ereignisse. In einem System, das Regeln unterlegen ist, weiß er genau, welche Knöpfe er drücken muss, um maximal unfassbare Behauptungen auszusprechen und dennoch von der Staatsanwaltschaft Zuspruch zu erhalten. Dann passiert es und Aus dem Nichts stürzt sich begierig auf jenen Moment, an dem Katja nach all der mühsamen Disziplin die Beherrschung verliert und von ihren Emotionen überwältigt ist. Infolgedessen lässt sich auch Fatih Akin vom angestauten Frust mitreißen und entgleist mit seiner Inszenierung in eine unangenehme wie bizarre Rachefantasie.

Es gehört durchaus einiges an Mut dazu, sich dieser Rachefantasie so hinzugeben. Schlussendlich nimmt der Film im letzten Akt allerdings zu exploitative Züge an und verfehlt das große Kunststück, das er sich aufgeladen hat. Trotz tollen Ansätzen verwandelt sich Aus dem Nichts in einen ekligen, in einen abstoßenden Film, der zur hohlen Projektionsfläche verkommt und all die Ambition vermissen lässt, die sein Regisseur zuletzt noch bei The Cut wagemutig demonstrierte. So engagiert Diane Kruger sich in ihre zerrissene Katja hineinversetzt, ab einem gewissen Punkt überschreitet Aus dem Nichts die Grenzen des Nachvollziehbaren und rühmt sich mit der Ausformulierung vermeintlicher Tabus, die am Ende überaus unglücklich im Raum stehen bleiben. Selten war Rache so aufdringlich im Kino zu sehen. Lykke Li hat wahrlich bessere Abspänne verdient.

Aus dem Nichts © Warner Bros.