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Bohemian Rhapsody – Kritik

Bohemian Rhapsody ist der Name des ersten Nummer-eins-Hits der britischen Rockband Queen, der mit einer Länge von knapp sechs Minuten niemals die Charts hätte erobern dürfen. Fürs Radio viel zu lang und den durchschnittlichen Zuhörer zu komplex, erklärt der Label-Chef. Zu viele unvereinbare Richtungen vereinen sich in diesem Monstrum, das sich als Ballade genauso gut wie als Rocksong versteht, vertraute Elemente der Oper integriert und sich im Gitarren-Solo komplett vergisst, von einem unvergesslichen Intro und Outro ganz zu schweigen. Und dennoch hat dieser Song Musikgeschichte geschrieben, entgegen aller Wahrscheinlichkeit. Auch das Freddie Mercury-Biopic mit Mr. Robot-Star Rami Malek wird nicht müde, diesen Umstand zu betonen. Der Film trägt Bohemian Rhapsody sogar stolz im Titel. Trotz einer Lauflänge von 135 Minuten ist die schillernde Karriereabhandlung nich in der Lage, das Musikstück einmal in seiner gesamten Pracht wiederzugeben, geschweige denn ein Gespür dafür zu entwickeln, warum ausgerechnet dieser Song die Menschen nicht mehr losgelassen und bis heute nichts von seiner Energie verloren hat.

2010 wurde die Verfilmung von Freddy Mercurys Leben erstmals als Bohemian Rhapsody angekündigt, damals mit Sacha Baron Cohen in der Hauptrolle. Schlussendlich sollten jedoch noch einige Jahre vergehen, ehe die erste Klappe fiel, da diverse Interessenskonflikte die Produktion immer wieder ins Stocken brachte. Herangehensweisen, die sich nicht mit der Vorstellung der übrigen Queen-Mitglieder vertrugen, und ein ständiger Wechsel der kreativen Köpfe vor und hinter der Kamera gehören zu den Hauptgründen, warum es so lange gedauert hat, bis Bohemian Rhapsody endlich in Fahrt kam. An diesem Punkt waren die Probleme aber lange nicht gelöst. Wenngleich es sich Bryan Singers eigenen Aussagen zufolge um ein Passionsprojekt handelte, sorgte das unvertretbare Verhalten des Regisseurs sowie seine ungeplante Abstinenz vom Set für einen Produktionsstopp im Dezember 2017, nachdem er kurz zuvor erneut mit sexuellen Belästigungsvorwürfen konfrontiert wurde. Daraufhin wurde Dexter Fletcher nur wenige Wochen vor Ende der Dreharbeiten von 20th Century Fox engagiert, um Bohemian Rhapsody pünktlich zum festgelegen Kinostart fertigzustellen.

Eine ereignisreiche Entstehungsgeschichte hat Bohemian Rhapsody folglich hinter sich, die mehr über Hollywood erzählt als ihren eigenen Protagonisten. Das Resultat ist dennoch erstaunlich rund, selbst wenn das in diesem Fall wirklich nichts Gutes bedeutet. Der fertige Film entbehrt jeglicher Ecken und Kanten – und das bei einem Musiker, der fraglos ein ereignisreiches Leben voller Höhenflüge und Niederlagen vorweisen kann. Zwar ist Anthony McCartens finale Drehbuchfassung bemüht, die wichtigsten Stationen von Freddy Mercurys Werdegang mitzunehmen, auch die weniger glanzvollen Passagen. Eine aufrichtige Auseinandersetzung mit dem Star findet jedoch auf kaum einer Ebene statt. Dagegen kann nicht einmal Rami Maleks engagiertes Schauspiel etwas ausrichten. Vergebens denkt er sich in Freddy Mercurys Kopf, während der Film ausschließlich daran interessiert ist, zum perfekt produzierten Best-of-Album zu werden, von dem man sich am Ende nicht einmal alles anhört, sondern nach den ersten zehn Sekunden zum nächsten Song springt und auch bei diesem nicht länger als ein paar Augenblicke verweilt. Denn im Grunde kennt ja jeder den Refrain.

Mit oberflächlichen Erinnerungen will Bohemian Rhapsody ein unvergessliches Leinwanddenkmal schaffen, während in erster Linie nur der Mythos Freddy Mercury ausgebaut und abgestaubt wird. Glänzen sollen sie, die Bilder, in allen Farben, besonders dann, wenn im – zugegebenermaßen wirklich packenden Finale – Queens legendärer Live-Aid-Auftritt nachgestellt wird. Dass die Wiedergabe der Songs mitreißend ist, daran besteht kein Zweifel. Allerdings verdient sich Bohemian Rhapsody dieses mitreißende Gefühl in keinem Moment, da der Film kaum Zeit investiert, um wirklich hinter das Geheimnis der Musik zu blicken. Im Gegensatz zum tollen Brian Wilson-Biopic Love and Mercy, das sowohl den Schmerz des Beach Boys-Architekten auf die Leinwand bannte als auch das Genie, das sich hinter seinen Kompositionen versteckte, (be-)greifbar machte, setzt Bohemian Rhapsody sein Publikum schlicht vor gesetzte Tatsachen. Da kann jedes Detail im Hintergrund noch so aufmerksam nachgestellt werden wie etwa die Pepsi-Becher auf dem Flügel bei besagter Live-Aid-Performance. Am Ende offenbart sich Bohemian Rhapsody trotzdem als Film, der nichts zu sagen hat, sondern bloß konservieren will. 

Bohemian Rhapsody © 20th Century Fox