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Brimstone – Kritik

Die Welt von Brimstone ist eine düstere, eine unerbittliche, obgleich sie Anfangs noch den Eindruck einer bescheidenen Idylle erweckt. Nach einen kryptischen Prolog entführt Regisseur Martin Koolhoven in die schlichte Landschaft des Wilden Westens, wobei sich sein Werk in erster Linie in der Ruhe und der Beobachtung übt. Die Bäume ragen erhaben in den klaren Himmel, während dieser sowohl von schlichten Sonnenstrahlen kündet, die von einem kräftigen Wind durchbrochen werden. Gemütlichkeit wäre kein Wort zur Umschreibung dieses durchaus tristen Landstrichs, der trotzdem eine gewisse Friedlichkeit ausstrahlt. Nicht lange soll es aber dauern, bis der routinierte Alltag der Menschen gestört wird, allen voran der von Liz (fabelhaft: Dakota Fanning), zusammen mit ihrer Familie in einem kleinen, abgelegenen Haus mit einer Scheune lebt. Es ist der sonntägliche Kirchgang, der ihr die Angst in die Augen schreibt, als der neue Reverend (auf Albtraum-Level: Guy Pearce) den Raum betritt. Was folgt, ist ein erbarmungsloser Western, der leider nach und nach seine Ambitionen aus den Augen verliert.

Aufgeteilt in vier Kapitel bedient sich Martin Koolhoven, der ebenfalls das Drehbuch schrieb, einer non-chronologischen Erzählung. Wer sich uninformiert von der Geschichte fangen lässt, bekommt mit jeder vergehenden Minute eine wertvolle Information geboten, die sich langsam, aber sicher in ein mysteriöses Mosaik einfügt, das mit seinen verschlüsselten Rätseln als treibende Kraft von Brimstone fungiert. Liz und den Reverend verbindet eine gemeinsame Vergangenheit, die sichtlich Wunden hinterlassen hat. Während der Mann Gottes, im schwarzen Gewand gekleidet und von furchteinflößenden Narben übersät, den Eindruck erweckt, direkt der Hölle entsprungen zu sein, vermag Liz nicht mehr zu reden. Mittels Mimik und Gestik kommuniziert sie mit ihrer Umgebung – das große Geheimnis ihres Lebens vermag sie trotzdem nicht zu teilen und so dringen vernichtende Flashbacks immer tiefer in Erinnerungen vor, die geprägt sind vom Schrecken jenen Mannes, der sich in all seinen Handlungen auf das Alte Testament beruft und somit im Auftrag des Herren eine Schneise physischer wie psychischer Zerstörung hinterlässt.

Geradezu verstörend schildert Brimstone diese Odyssee des Frontier-Lebens, die sich später in einen Survival-Thriller verwandelt, dabei jedoch zu fasziniert von der eigenen Materie im puren Sadismus versinkt. Der feministische Befreiungsschlag, der sich im Kern der Erzählung versteckt, wird viel zu oft von Martin Koolhovens voyeuristischen Einstellungen sabotiert, die zwar den Schrecken der abartigen Männerwelt bloßstellen, den erniedrigenden Gesten dennoch übermäßigen Eifer entgegenbringen, anstelle diese geschickt im Fluss der Bilder zu integrieren. Brimstone lässt sich von jedem schmutzigen Detail ablenken und ergötzt sich förmlich im vermeintlichen Taubbruch, ohne den angesprochenen Themen mit der raffinierten Aufarbeitung zu begegnen, die sie verdienen. Die Wucht des Gezeigten steht in keinem Verhältnis zum Erzählten. Je mehr der Plot von seinem Konstrukt offenbart, desto enttäuschender wird die Zusammenführung der einzelnen Konflikte, was insbesondere im anti-klimatischen Finale für Irritation sorgt und den exploitativen Charakter des Films verstärkt.

Werden die Motive zu Beginn der Geschichte sehr konkret formuliert, wodurch sie entsprechend wirken können, gerät die Frage nach Brimstones tatsächlichem Anliegen später zunehmend in Vergessenheit. Eine Dokumentation des Leids, befeuert durch den Wahnsinn von Maskulinität und Religion: In der Theorie liest sich dieser rohe Western mitsamt seiner erlesenen Bilder und beklemmenden Atmosphäre wie ein packendes Drama, das den Schlag in die Magengrube mit erschütternden Erkenntnissen bekräftigt. Der fertige Film hingegen erobert die Leinwand irgendwann nur noch im reißerischen Tonfall und weidet sein Antlitz im Ekel von Schusswunden und ausgerissenen Innereien. Ein richtiges Bekenntnis zur dieser verwegenen Ader erfolgt allerdings nie. Stattdessen versteckt sich Brimstone immer wieder hinter den Sympathien, die er für seine Protagonistin und deren grausames Schicksal aufbringt. Aufrichtige Gefühle bleiben dabei jedoch auf der Strecke, als hätte sich der Film in einer falschen Erinnerung zwischen Genesis und Exodus verlaufen.

Brimstone © Koch Films/Kinostar