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Detroit – Kritik

Wann immer sich auch Regisseurin Kathryn Bigelow und Drehbuchautor Mark Boal in den vergangenen Jahren auf ein gemeinsames Projekt eingelassen haben, das Ergebnis entpuppte sich stets als eine gleichermaßen mitreißende wie kontrovers diskutierte Angelegenheit. Zuerst war da Jeremy Renner, der 2008 in The Hurt Locker durch die Wirren des Irakkriegs irrte, ehe sich Jessica Chastain im Nachfolgewerk Zero Dark Thirty vier Jahre später auf die Jagd nach Osama bin Laden machte. Beide Filme wurde von einem sich stets steigerndem Pochen begleitet, das immer tiefer in ein Labyrinth der Ungewissheit führte. Besonders erschreckend war dabei die Sogwirkung: Ehe wir uns als Zuschauer versehen, befinden wir uns inmitten des Chaos und es gibt kein Entkommen mehr. Auch in der dritten Zusammenarbeit von Kathryn Bigelow und Mark Boal offenbart sich dieser Sog als beängstigendstes Element.

Angesiedelt im Jahr 1967 handelt Detroit von den Rassenunruhen in der titelgebenden Metropole, die sich über Nacht in ein apokalyptisches Trümmerfeld verwandelt. Während im ganzen Land das gesellschaftliche Klima angespannt ist, sorgt eine Polizeirazzia für die Eskalation des Konflikts und fördert einen verheerenden Aufstand zutage. Steine werden geworfen, Läden geplündert – von Menschenrechten, die mit Füßen getreten werden, ganz zu schweigen. Auch der afroamerikanische Wachmann Melvin Dismukes (John Boyega) muss am eigenen Leib erfahren, wie schnell in einer Situation wie dieser die Grenzen zwischen Recht und Unrecht verschwimmen. Sobald Rauch aufsteigt und den Himmel verdunkelt, entfesselt der Mensch sein wahres Antlitz. Es ist ein hässlich es Antlitz, voller Wut und Hass, wie er etwa tief im Inneren des weißen Cops Philip Krauss (Will Poulter) brodelt, der fast noch ein Kind ist und trotzdem vor keiner Gewalttat zurückschreckt.

Unmittelbar entführt Kathryn Bigelow mit Kameramann Barry Ackroyd in die Straßen dieses brennenden Detroits, in dem anfangs noch per Funk und Fernsehen der Versuch unternommen wird, eine Übersicht über die vonstattengehenden Ereignisse zu erlangen. Erst mit der Zeit kristallisiert sich für uns Zuschauer, die wir uns in vermeintlich sicherer Distanz wägen, heraus, dass der übertragenen Information nur bedingt Glauben geschenkt werden kann. Was wir sehen und was wir hören sind zwei verschiedene Dinge, die in ruckelnden Bildern und abgehackten Sätzen zunehmend zum gefährlichen Missverständnis mutieren. Barry Ackroyd, der zuletzt in den Filmen von Paul Greengrass mit rasende, beklemmende und die Ordnung in hektischen Details zerstörende Aufnahmen beeindruckte, beschwört auch in Detroit einen atemlosen Wettlauf durch die Nacht, der bereits erwähnte Sogwirkung maßgeblich unterstützt und auf die Spitze treibt.

Wenn die Figuren erkennen, wie tief sie sich tatsächlich in den düsteren Gängen der von Flammen umschlungenen Häuser verirrt haben, läuft es auch uns Zuschauer eiskalt den Rücken hinunter, dass es kein Zurück mehr gibt. Es reicht der Tritt über die Türschwelle, die Überquerung einer Straße oder gar der schiere Blick aus dem Fenster, der unseren Blick auf die Leinwand widerspiegelt: Im Bruchteil einer Sekunde werden sämtliche Regeln der Zivilisation außer Kraft gesetzt, sodass ein unerbittlicher Überlebenskampf die folgenden zwei Stunden dominiert, bei dem die Vermischung von Blut und Schweiß die einzige Sprache ist, die jeder versteht, selbst wenn es dafür längst zu spät sein könnte. Exakt diesen Punkt arbeiten Kathryn Bigelow und Mark Boal jedoch in all der Hektik mit stechender Präzision heraus. Dann fallen Schüsse und es passiert, was nie mehr rückgängig gemacht werden kann, obwohl eben noch die Überzeugung herrschte, die Lage im Griff zu haben.

Detroit © Concorde Filmverleih