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Ford v Ferrari – Kritik

Mit rasender Geschwindigkeit brettert Carroll Shelby (Matt Damon) über die Rennstrecke von Le Mans, die zunehmend in Nacht und Nebel versinkt. Jeden Augenblick könnte er die Kontrolle über seinen Wagen verlieren, sein unbändiger Ehrgeiz treibt ihn trotzdem an und schickt ihn über die Ziellinie des legendären 24-Stunden-Rennens. Für den Bruchteil einer gefährlichen Sekunde verschwimmen Professionalität und Waghalsigkeit, schlussendlich ist es aber die Kombination die Geschichte schreibt. Ein Balanceakt, der jedem Moment zum Fall führen kann: In Ford v Ferrari erzählt James Mangold von Profis und ihren Grenzgängen – und das trotz größter Genrekonventionen auf überaus mitreißende Art und Weise.

Auf den ersten Blick entpuppt sich Ford v Ferrari, der hierzulande unter dem Titel Le Mans 66 – Gegen jede Chance, die Kinos erobert, als traditionelles Biopic, verankert in der Rennsportszene der 1960er Jahre. Nachdem Henry Ford II (Tracy Letts) das Geschäft seines Vaters übernommen hat, wurmt ihn die schwindende Attraktivität seines Unternehmens. In den Geschichtsbüchern wird nichts von dem Autohersteller zu lesen sein, der die meisten Autos produziert, sondern von jenem, der die besten auf die Straße gebracht hat. Der größte Konkurrent ist damit schnell ausgemacht: Der italienische Enzo Ferrari (Remo Girone) gewinnt seit Jahren das prestigeträchtige Rennen von Le Mans und stiehlt damit dem stolzen Amerikaner die Show.

Seine Autos symbolisieren nicht nur Eleganz und Geschwindigkeit. Nein, sie stehen auch für Gewinn in jeder Auslegung des Wortes. Da eine Zusammenarbeit mit Ferrari jedoch schon beim ersten Treffen zum Scheitern verurteilt ist, beauftragt Ford den ehrgeizigen Manager Lee Iacocca (Jon Bernthal) damit, ein firmeneigenes Rennteam zusammenzustellen. An diesem Punkt kommt der Eingangs erwähnte Carroll Shelby ins Spiel, der in den nachfolgenden Monaten zusammen mit Rennfahrer Ken Miles (Christian Bale) den Ford GT40 entwickeln soll, um in Le Mans 1966 Ferrari von der Spitzenposition zu verdrängen. James Mangold rollt diese Prämisse in aller Ausführlichkeit aus und zeichnet dabei ein spannendes Bild des Motorsports der 1960er Jahre.

Tradition und Fortschritt treffen in einem unerbittlichen Wettkampf aufeinander, während James Mangold ebenso die Freundschaft zwischen zwei Männern porträtiert und sich weiterhin auf herausragend gefilmte Actionszenen verlassen kann. Sein Film ist ganz dicht bei dem Handwerk der Profis, mitunter wirkt es, als würden die Schrauben erst im Moment der Projektion festgedreht werden. Obwohl wir nie den direkten Blick unter die Motorhaube erhalten, analysiert Ford v Ferrari präzise alle Vorgänge, die darunter stattfinden – vorzugsweise natürlich auf der metaphorischen Ebene. Denn während fleißig an Motoren geschraubt wird, geht es vor allem um die Menschen hinter dem Lenkrad, die mit ihrem Idealismus gegen ein verkrustetes System kämpfen.

Shelby und Miles verfolgen eine Vision, die sich Ford zwar leisten kann, allerdings niemals trauen würde, dermaßen radikal umzusetzen. Der Konflikt befeuert die kompletten zweieinhalb Stunden des Films, bis das furiose Finale zur ultimativen Prüfung aller Beteiligten avanciert. Mit Höchstgeschwindigkeit rasen die Rennfahrer über die Strecke, sodass kaum Zeit zum Durchatmen bleibt. Selbst im Angesicht dieser Ekstase gelingt es James Mangold, feine Nuancen in sein altmodisch aufbereitetes Drama zu schleusen und damit die doch recht formelhaften Bausteine des Films zu kaschieren. Wo für die Figuren in den letzten Minuten alles auf dem Spiel steht, schreckt Ford v Ferrari als Film vor dem entscheidenden Risiko zurück – ein faszinierender Widerspruch.

James Mangold weiß dafür genau, was er will – und diese Überzeugung kommt in jeder Sekunde von Ford v Ferrari zum Ausdruck. Seine Vorstellung von Kino ist eine sehr konkrete. Sie basiert auf dem Glauben an Filmstars und baut auf die Kraft der Bewegung und ein schlagfertiges Drehbuch, das seine Geschichte genauso klein und unbedeutend wie groß und alles verändernd wirken lassen kann. Letztendlich fahren Shelby und Miles nur im Kreis und wiederholen ihre Fehler. Wenn sie aber einmal über sich und ihre Leidenschaft hinauswachsen, fangen sie an, zu schweben. James Mangold traut seinen Figuren in diesem Augenblick mehr zu als sich selbst, denn so atemberaubend Ford v Ferrari als Film geworden ist, ein Wagnis will er am Ende nicht eingehen.

Ford v Ferrari © 20th Century Fox