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Harry Potter and the Goblet of Fire – Kritik

Harry Potter and the Goblet of Fire stürzt gleich in seinen ersten Sekunden in eine düstere Schlucht, aus der es kein Entkommen mehr gibt. John Williams‘ vertraute Leitmotive haben sich aus der magischen Welt des Jungen verabschiedet, der überlebte. Stattdessen peitschen nun die Streicher von Patrick Doyle die Kamera durch die Nacht, während sich im Hintergrund eine der wohl bedrohlichsten Kulissen der gesamten Reihe aufbaut. Das vierte Schuljahr beginnt auf einem Friedhof, weit entfernt von den sicheren Mauern Hogwarts und dem Vorstadtgefängnis der Dursleys. War es zuletzt noch eine unbändige Lichtquelle, die im Finale von Harry Potter and the Prisoner of Azkaban die furchteinflößenden Dementoren verjagte, ist davon in den ersten Minuten der Fortsetzung nur noch ein kleiner Funke übrig geblieben, der sich seinen Weg durch die Dunkelheit bahnt. Dort, zwischen den Gräbern der Toten, lauern die finsteren Kreaturen aus Harrys (Daniel Radcliffe) schlimmsten Albträumen. Vorerst lässt Regisseur Mike Newell seinen jungen Protagonisten schweißgebadet erwachen. Das nächste Mal, wenn er sich an jenem schaurigen Schauplatz wiederfindet, wird dieses Erwachen jedoch nicht mehr möglich sein.

Nachdem die Rückkehr des dunklen Lords in den vorherigen Filmen stets im letzten Augenblick abgewendet werden konnte, kündet Harry Potter and the Goblet of Fire gleich im Zuge seiner Eröffnungssequenz großes Unheil an. Aufgewühlt von diesem nervenaufreibenden Einstieg rast der Film im Anschluss durch eine aufregende Kette von Ereignissen, was in erster Linie auf die umfangreichen Vorlage zurückzuführen ist und ein gewisses Gefühl von Unsicherheit mit sich bringt. Viele Kapitel der Buchvorlage werden bloß angerissen und sind schon wieder vorbei, ehe wir uns in einem prächtigen Set piece wie etwa der Quidditch-Weltmeisterschaft eingefunden haben. Wo eben noch die Zauberwelt in atemberaubenden Bewegungen zum Leben erwachte, wird sie im nächsten Moment vom Feuer verschlungen. Was bleibt, ist verbrannte Erde und das Dunkle Mal am Himmel, das einen giftig grünen Schatten wirft. Angst und Schrecken haben Harry Potter and the Goblet of Fire verschlungen, bevor die größte Herausforderung überhaupt begonnen hat. Erst das Trimagische Turnier vermag die vielen offenkundigen wie heimlichen Gefahren zu offenbaren.

Wenn in Hogwarts Gäste aus den europäischen Zauberschulen Beauxbatons und Durmstrang empfangen werden, legt Harry Potter and the Goblet of Fire ein wahnsinniges Schnitttempo vor, das selbst den rasendsten Martin Scorsese-Film mit Leichtigkeit abhängt. Steve Kloves trifft in seinem Drehbuch mutige Entscheidungen und scheitert dabei mindestens genauso oft, wie er gewinnt. Dennoch findet er einen roten Faden, der zielsicher durch dieses überbordende Abenteuer führt. Das 200-minütige Hogwarts-Epos, das sich in Harry Potter and the Goblet of Fire versteckt, können wir nur erahnen. Nur manchmal blitzt es durch die flott aneinandergereihten Szenen. Das kann frustrieren, verwandelt den Film gleichwohl aber in eine überaus faszinierende Erscheinung im Potter-Universum, denn entgegen der vermeintlichen Bruchstücke, werden die entscheidenden Elemente treffsicher untergebracht. Zwar mag Mike Newell dem inszenatorischen Vermögen seines Vorgängers unterlegen sein. Sobald er sich erst einmal in dieser magischen Welt zurechtgefunden hat, entwickelt er jedoch unweigerliche Lust, sie zu entdecken, mitunter auch auseinanderzunehmen, im sprichwörtlichen wie im übertragenen Sinne.

Das Hogwarts-Schloss, das für gewöhnlich ein Ort der Wärme ist, wenn sich nicht gerade eine Falltür in die düstere Vergangenheit öffnet, wird beispielsweise gleich im Rahmen der ersten Aufgabe des Trimagischen Turniers auseinandergelegt. Im Kampf mit einem ungarischen Hornschwanz, einer der bis heute eindrücklichsten Drachen-Darstellungen im Kino, wirbelt die Kamera aufgeregt durch die Schluchten und über Berge der umherliegenden Landschaft, ehe später die Ziegel vom Großen Turm bröckeln, weil der fliegende Unhold seiner zerstörerischen Kraft nicht müde wird. Harry Potter and the Goblet of Fire entdeckt Hogwarts als beklemmenden Ort und entführt darüber hinaus in ungeahnte Unterwasserwelten sowie ein klaustrophobisches Labyrinth, aus dem es keinen Ausweg gibt. Gleichzeitig bringt das vierte Schuljahr eine neue, romantische Seite der Geschichte mit sich, wenn der traditionelle Weihnachtsball die chaotische Gefühlswelt der Jugendlichen in verspielten, hinreißenden Bildern zusammenfasst. Hogwarts kann auch albern sein, vor allem aber Herzen brechen, ganz egal, wie leichtfüßig und feierlich Patrick Doyles Musik durch die Gänge tanzt.

Am Ende von Harry Potter and the Goblet of Fire herrscht dennoch eine eigenartige Atmosphäre. Nachdem Lord Voldemort (Ralph Fiennes) auf jenem eingangs erwähnten Friedhof zurückgefunden hat, steht Hogwarts so versteinert da wie nie zuvor. Kalt wirken die mächtigen Pfeiler der Großen Halle, während das spärlich einfallende Licht die gedrückte Stimmung über die große Leinwand hinaus trägt. Ein Junge ist gestorben, ermordet von Lord Voldemort. Mit stechend klaren, aber ebenso aufrichtigen Worten wendet sich Dumbledore (Michael Gambon) an die versammelte Trauergemeinde: „Beherzigt das.“ Jetzt wird alles anders. Das kann niemand mehr leugnen. Doch vielleicht ist diese Erkenntnis der größte Trost in einer hoffnungslosen Stunde wie dieser. Die Stille dieses Augenblicks ist unbeschreiblich, ebenso die Wärme, die wieder einkehrt, wenn die zuvor geknüpften Freundschaften dem erlebten Trauma standhalten und bis in den Abspann geleiten. Dann stehen sie da, Harry, Hermine (Emma Watson) und Ron (Rupert Grint), und blicken gemeinsam in den Horizont. Von dem anfänglichen Chaos ist nichts mehr zu spüren, so schweißt das tragische, schicksalhafte Ende die Überlebenden zusammen.

Harry Potter and the Goblet of Fire © Warner Bros.