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Her Smell – Kritik

Dumpf im Hintergrund ist es zu vernehmen, ein unermüdliches Rauschen, das mitunter einem Störgeräusch gleicht. Anfangs wirkt es wie eine hinter dicken Mauern abgeschottete Menge, die dem nächsten Auftritt ihrer Lieblingsband entgegenfiebert. Begeisterte Jubelschreie der Fans vereinen sich mit undefinierbaren Gitarrenklängen. Doch selbst nachdem die Kamera den klaustrophobischen Gängen im Backstage-Bereich einer Konzerthalle entkommen ist, will das Rauschen nicht verschwinden. Stattdessen begleitet es Her Smell, den neuen Film von Alex Ross Perry, wie eine Lawine, die stetig größer wird, bis niemand mehr vor ihr flüchten kann.

Becky Something (Elisabeth Moss), die Sängerin und Gitarristin der Punk-Rock-Band Something She, befindet sich zu Beginn des Films schon seit einer ganzen Weile auf der Flucht, ohne jemals im rettenden Hafen anzukommen. Im Auftakt von Her Smell sehen wir sprichwörtlich, wie ihre Welt zusammenbricht, obgleich am Ende sie es ist, die nicht mehr das Gleichgewicht halten kann und zu Boden stürzt. Zerfressen von Rastlosigkeit folgt Becky ihren selbstzerstörerischen Trieben und entfremdet sich dadurch immer mehr von den Menschen um sie herum. Jeder sieht die Katastrophe kommen, allerdings ist keiner in der Lage, sie zu verhindern.

Alex Ross Perrys Inszenierung untermauert dieses unangenehme Gefühl. Mitunter gleichen die ersten drei des in insgesamt fünf große Szenen aufgeteilten Films einem Fiebertraum, aus dem es kein Erwachen gibt. Eng sind die Räume, in denen sich die Figuren bewegen – meist eingefangen mit aufwühlenden Close-ups, die eine nervenaufreibende Hektik provozieren und uns direkt ins Aufnahmestudio katapultieren, bevor wir im Green Room die Anspannung vor dem alles entscheidenden Auftritt erleben. Her Smell findet stets im Moment statt und gewährt uns selten einen Blick aus der Distanz. Sie ist erschlagend, diese Unmittelbarkeit.

Damit entfernt sich Alex Ross Perry von seinem entspannt-tragischen Golden Exits, der mit ruhigen, sorgfältigen Bildern die Straßen von New York erkundete. Her Smell schließt dagegen an die zermürbende Bedrohlichkeit von Queen of Earth an und entpuppt sich als Perrys bis dato rauester Film. Das Licht flackert in den Gängen wie die Erinnerungen an eine längst vergessene Zeit, die zwischen den einzelnen Kapiteln des Films in Form von Home-Video-Aufnahmen für wenige Augenblicke zum Leben erwachen. Glücklich wirken sie da, die Mitglieder von Something She. Im Hier und Jetzt existiert aber nur noch ein Scherbenhaufen, messerscharf und gefährlich.

Während Beckys Band auseinanderbricht, kündigt sich am Horizont bereits eine jüngere Generation an, um die Lücke beim Label zu füllen. Die drei jungen Frauen sind Fans von Something She und lassen sich trotz Beckys toxischem Zustand in ihrer Begeisterung vorerst nicht erschüttern. Entkommen können aber auch sie nicht der zerstörerischen Kraft, die von ihrem Idol ausgeht, genauso wie von dem Hintergrundrauschen, das nur ein harter Schnitt unterbrechen kann. Doch wenn dann für einen raren, kostbaren Moment die Stille übernimmt, entfaltet Her Smell einen unerwarteten Sog, der bedeutend stärker ist als all die einnehmenden Eindrücke zuvor.

Das aufreibende Chaos besitzt zwar durchaus seine Reize in diesem hypnotischen, unfreundlichen Film. Sobald Becky aber in einem jener stillen Momente anfängt, in Gegenwart ihrer Tochter vorsichtig Klavier zu spielen, entfaltet Her Smell eine schlichte, überwältigende Schönheit. Kratzige Schreie, verflossene Schminke und zerrissene Kleidung – all diese Dinge verschwinden für den Bruchteil einer Sekunde aus ihrem aufgebrachten Leben. Gewissermaßen rappelt sich die am Boden liegende Becky wieder auf und blickt den Konsequenzen ihres Handelns ins Angesicht. Und Alex Ross Perry schreckt nicht davor zurück, die Anstrengung hinter dem Aufstehen zu beobachten.

An einer schnellen Katharsis ist er nicht interessiert. Alex Ross Perry ermöglicht mit bemerkenswertem Einfühlungsvermögen den Zugang zum zerbrochenen Inneren seiner Figuren. Genau deswegen erweist sich der finale Akt von Her Smell, in dem alle vorherigen Ereignisse kulminieren, als der kraftvollste. Ohne die niederschmetternden Vorbereitungen zuvor wäre er natürlich nicht möglich gewesen. Nun führt Alex Ross Perry aber die einzelnen Fäden zu einem würdigen Schluss zusammen, ohne sich einer allzu einfachen Auflösung zu ergeben. Kein Triumph kann den Schmerz vergessen machen. Bis in die letzten Minuten schwingt er mit, genauso wie das unruhige Rauschen. Das verschwindet nie wieder.

Her Smell © Gunpowder & Sky