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Kong: Skull Island – Kritik

Als Peter Jackson vor über einer Dekaden mit King Kong einen jener raren Abenteuerfilme drehte, wie sie mittlerweile ausgestorben sind, schien der Abgesang auf den eigenen Mythos perfekt. Wenn der Riesenaffe zum Schluss von der Spitze des Empire State Buildings in den Schlund des pulsierenden New Yorks der 1930er Jahre stürzt, dann war es wahrhaftig Schönheit, die das Biest getötet hat; das unvergessliche wie atemberaubende Requiem einer Kinolegende, deren Silhouette alleine für Gänsehaut sorgt. Anno 2017 kann Hollywood der Sehnsucht nach der verlorenen Schönheit nicht mehr standhalten und holt King Kong in Form eines groß angelegten Reboots auf die Leinwand zurück.

Als zweites Segment des sogenannten MonsterVerse soll Kong: Skull Island den epischen Kampf gegen Godzilla im Jahr 2020 vorbereiten, nachdem die Rieseneidechse vor drei Jahren unter der Regie von Rogue One-Mastermind Gareth Edwards zu neuem Leben erwachte. Bevor es aber so weit ist, entführt Jordan Vogt-Roberts, der sich mit dem Indie-Drama Kings of Summer einen Namen gemacht hat, in die 1970er Jahre und auf eine Reise ins Herz der Finsternis. Vor untergehender Sonne baut er sich nun auf und ragt in den Himmel, der neue Kong, während am Horizont Helikopter erscheinen und den Walkürenritt aus Francis Ford Coppolas Jahrhundertswerk Apocalypse Now imitieren.

Es ist eines der populärsten wie offensichtlichsten Zitate der Filmgeschichte, aber die Filmgeschichte war schon immer ein essentieller Bestandteil der Marke King Kong. Als erstes Monster, das exklusiv im Kino sein Debüt feierte, avancierte bereits der Ur-Kong aus dem Jahr 1933 zum Meilenstein, der darüber hinaus in puncto Tricktechnik neue Maßstäbe setze. Das Motiv des Fortschritts im Zusammenspiel mit der letzten Kreatur aus einer anderen Zeit zieht sich bis zu Peter Jacksons eingangs erwähnter Version, in der Andy Serkis, das in The Lord of the Rings salonfähig gemachte Motion-Capture-Verfahren in Form von King Kong weiterentwickelte. Auch Kong: Skull Island ist sich dieser Tradition bewusst und glänzt mit (konvertiertem) 3D und state of the art Spezialeffekten.

Gleichzeitig schwingt diese Ebene dermaßen selbstverständlich wie automatisiert im Hintergrund des Films mit, sodass die technischen Errungenschaften kein Aushängeschild und längst kein Alleinstellungsmerkmal mehr sind. Ein einer Ära der tosenden Mega-Blockbuster vermag Kongs Erscheinung kaum noch Eindruck zu hinterlassen. Dennoch findet Jordon Vogt-Roberts und sein Kameramann Larry Fong Bilder von unglaublicher Erhabenheit, die sich leider viel zu selten einfach wirken können. Skull: Island schöpft aus einem beachtlichen Repertoire glühender Sonnenuntergängen und wunderschöner Landschaftsaufnahmen. Zu selten können diese jedoch ihre ganze Pracht entfalten.

Als wäre Richard Pearson im Schneideraum die Geduld ausgegangen, legt Kong: Skull Island ein unglaubliches Tempo an den Start, das sowohl die Kurzweil fördert als auch den Sprung ins große Abenteuer verwehrt. Am Ende fühlt sich das Epos nicht verdient, sondern bloß behauptet an. Die Expedition ins Ungewisse lässt niemals Zweifel an der eigenen Sache aufkommen. Viel zu schnell greifen die Soldaten zu ihren Gewehren und versuchen, wenigstens diesen (Klein-)Krieg zu gewinnen. In Vietnam hat es nämlich nicht geklappt, wie es uns der Film wissen lässt. Dort haben die US-amerikanischen Truppen lediglich den Krieg verbannt. Bei der Eroberung von Skull Island soll und darf dieses Mal nichts schief laufen.

Routiniert dringt ein Team aus Wissenschaftlern und Soldaten in den letzten Ort auf dieser Erde ein, den bisher noch kein Mensch zuvor betreten hat, angeführt von Expeditionsleiter William Rande (John Goodman) und Colonel Preston Peckard (Samuel L. Jackson). Es soll nicht lange dauern, bis sich der Herrscher der titelgebenden Insel zur Wort meldet, um die Eindringlinge aus dem unberührten Paradies zu verscheuchen. Die Metapher liegt dabei auf der Hand und funktioniert sowohl im Kontext des Vietnamkriegs als auch der politischen Situation der Gegenwart. Trotzdem will sich Kong: Skull Island nie in die angedeuteten Abgründe des Dschungels hineinwagen und darin verlieren. Der Wahnsinn findet bloß zwischen den Bildern statt, wenngleich der aus dem Zweiten Weltkrieg gestrandete Lieutenant Hanks Marlow (John C. Reilly) das Tor in die richtige Richtung aufstößt.

Plötzlich schlummert in Kong: Skull Island eine Erzählung über die Welt und ihre Kriege inklusive der These des posthumanen Blockbusters. Wir Menschen sind nur Gäste auf diesem Planeten, die eigentlich von bedeutend monströseren Kreaturen bewohnt wird und sich im Begriff befindet, zurückerobert zu werden. Dan Gilroy, Max Borenstein und Derek Connolly haben in ihrem Drehbuch durchaus genügend Platz zwischen den Zeilen gelassen, um Kongs Rückkehr in die Kinogeschichte in ein Werk zu verwandeln, das die Erde sowohl sprichwörtlich als auch im übertragenen Sinne zum Beben bringt. In der letztendlichen Schnittfassung wird allerdings munter über alle Reibungspunkt hinweggeschnitten. Es fehlt jegliches Bewusstsein für den Vulkan, der da brodelt und ausbrechen will.

Womöglich – oder ziemlich sicher sogar – versteckt sich in Kong: Skull Island ein dreistündiges Meisterwerk, das Menschen mit den unterschiedlichsten Hintergründen und Absichten am Eingang der Hölle zusammenführt und vom letzten ersten Sündenfall erzählt. So, wie der König der Monster aber nun auf der Leinwand erscheint, offenbart er sich als Fremder im eigenen Film, genauso wie ein Gros der Figuren. Erst, wenn die Glocken zum munteren Monster-Brawl läuten, tritt der Riesenaffe aus dem Schatten und erschüttert die Umgebung mit seinem Gebrüll. Jordan Vogt-Roberts, der ebenso abseits der furiosen Schlachten erlesene Aufnahmen für das Spektakel findet, beweist in diesen Momenten immerhin das notwendige Gespür für die Kräfte, die sich in Bewegung befinden.

Wenn ein Helikopter von einer Pranke, die aus dem Nichts auftaucht, vom Himmel gerissen wird, dann ist der Einschlag auf dem Boden ebenso spürbar, wie wenn sich Kong mit einem anderweitigen Ungeheuer seiner Größenordnung prügelt. Besonders in Kombination mit aufgewirbeltem Wasser setzt Kong: Skull Island auf die pure Überwältigung des Geschehens. Sei es ein Oktopus, der aus den Untiefen eines unscheinbaren Gewässers schnellt, oder eine Monsterechse, die den giftgrünen Nebel durchbricht: Die wahre Poesie entfaltet sich jedoch erst in einem dieser raren Augenblicke, wenn Ruhe eintritt und Mason Weaver (Brie Larson), James Conrad (Tom Hiddleston) und Co. ein Fabelwesen bestaunen, das einem Film wie Prinzessin Mononoke entsprungen sein könnte.

Doch wer ist der König dieser Welt? „It’s time to show Kong that man is king!“, schwadroniert Colonel Preston Peckard, während sich das Finale in rasender Geschwindigkeit ankündigt. Noch einmal unterbricht ein Popsong der 1970er Jahre die zuvor aufgebaute Atmosphäre mit dem popkulturellen Zepter, das sich seiner Präsenz stets gewiss sein will. Von der herbeigesehnten Schönheit ist ab diesem Punkt aber nicht mehr viel übrig, denn dann greift ein Plotpoint nach dem anderen, ganz mechanisch und ohne Gefühl. Kong trampelt und klopft, als würde er selbst nicht so genau wissen, was er auf dieser Erde und vor allem in diesem – tonal bisher vollkommen unbeständigen – MonsterVerse will.

Kong: Skull Island © Warner Bros.