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Licorice Pizza – Kritik

Es ist 1973 und Alana (Alana Haim) und Gary (Cooper Hoffman) rennen aufeinander zu. Sie rennen durch das gesamte San Fernando Valley. Eigentlich müssten sie außer Atem sein, doch ihre Bewegungen sind unaufhaltsam. Das Licht der Sonne reflektiert in den Fensterscheiben der vorbeifahrenden Autos und lässt sie Stoßstangen funkeln. Schließlich legt es sich über die Gesichter der Liebenden, die keine Liebenden sein dürfen/wollen, obwohl sie insgeheim nichts mehr begehren. Licorice Pizza, der neue Film von Paul Thomas Anderson, wird von einer unglaublichen Sehnsucht durchdrungen.

In lauen Sommernächten entfaltet sie sich, die Sehnsucht, während wir uns auf einen Streifzug durch die urbane Landschaft begeben, die trotz beständigem Gewusel eine verführerische Gemütlichkeit ausstrahlt. Licorice Pizza erzählt von ewigen Sommerferien. Dabei ist keine der beiden Hauptfiguren an einem Punkt in ihrem Leben, an dem sie sich zurücklehnen will. Vielmehr werden sie von einer Neugier durchdrungen, die Anderson als entspannte Rastlosigkeit kanalisiert. Alana und Gary ziehen sich an und stoßen sich ab, nicht zuletzt steht ein zehnjähriger Altersunterschied zwischen ihnen.

Mit gerade einmal 15 Jahren hat Gary bereits in Hollywood Karriere gemacht. Er ist ein Jugendstar, der sich durch die Stadt der Engel bewegt, als würde er ihre ältesten Geschichten kennen. Jeder Ort und Name ist ihm ein Begriff. Alana hingegen arbeitet als Assistentin eines Fotografen, der die Klassenfotos an Garys Highschool schießt. Mit 25 hat sie weniger von der Welt gesehen, als der Schüler, der ihr gegenübersteht. Dennoch besitzt sie einen Blick auf die Welt, der den Showman aus der Reserve lockt. Sobald sie sich einmal in die Augen gesehen haben, können sie nicht mehr voneinander ab.

Anderson erzählt von der hinreißenden Begegnung zweier Menschen, die ununterbrochen über sich stolpern und trotzdem im Gleichklang durch die Straßen rennen. Da ist es wieder, das Rennen, diese unglaubliche Bewegung, die Anderson mit so müheloser Leichtigkeit einfängt, als wären Kameras geschaffen worden, um den im Sonnenlicht strahlenden Gesichtern und Körpern von Alana Haim und Cooper Hoffman zu folgen. Angetrieben werden sie nicht nur von Gefühlen, sondern einem fantastischen Soundtrack, der die 1970er Jahre lebendig werden lässt, mal verträumt, mal ganz stürmisch.

Anderson wechselt die Stimmung genauso oft wie die Songs auf der Tonspur, ohne dass sein Film zur Aneinanderreihung einzelner Momente verkommt. Licorice Pizza ist ein einziger Rausch und zieht mit unglaublichen Tempo vorbei – genauso schnell wie der jugendliche Leichtsinn mit dem Ehrgeiz junger Erwachsener kollidiert. Die Ereignisse überschlagen sich pausenlos. Als Höhepunkt fungiert die nächtliche Fahrt mit einem Laster: Ohne Benzin im Tank steuert Alana das wuchtige Gefährt rückwärts einen Hang hinunter und zuckt dabei nicht einmal mit der Wimper. Ein magischer Moment für die Ewigkeit.

Am beeindruckendsten an Licorice Pizza ist die Schwerelosigkeit, mit der Anderson dieses aufregende Valley-Abenteuer in Szene setzt. Gerade nach dem strengen, wenn auch nicht weniger mit Gefühl und Begehren aufgeladenen Phantom Thread fühlt sich seine jüngste Regiearbeit wie ein ausgelassenes Mäandern an. Durch kleine, beiläufige Szenen am Wegesrand setzt Anderson zudem die Amerika-Beobachtungen fort, die sich durch sein gesamtes Schaffen ziehen. Pulsierende Liebesgeschichte und präzise Bestandsaufnahme gehen in Licorice Pizza Hand in Hand. Nein, sie rennen.

Beitragsbild: Licorice Pizza © Universal Pictures