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Ma Rainey’s Black Bottom – Kritik

Sobald Chadwick Bosemans Trompeter Levee die Bühne betritt, ist ihm das Scheinwerferlicht sicher. Obwohl die von Viola Davis verkörperte Bluessängerin Ma Rainey der Star der Show ist, zieht Levee mit seinen Improvisationen die Aufmerksamkeit auf sich. Er strahlt eine unglaubliche Energie und Begeisterung aus, die sich ansteckend auf das Publikum auswirkt. In einer anderen Welt wäre dieser Moment ein weiteres spannendes Sprungbrett für Chadwick Boseman gewesen, der so entfesselt spielt wie noch nie. Doch in dieser Welt ist Ma Rainey’s Black Bottom sein letzter Film.

Im August starb der US-amerikanische Schauspieler an Krebs. Auf der Leinwand war er in der Rolle von Baseballlegende Jackie Robinson und Funk-Pionier James Brown zu sehen. Seinen größten Erfolg feierte er als Black Panther im Marvel Cinematic Universe. In Ma Rainey’s Black Bottom beweist Boseman, dass er noch lange nicht dort angekommen war, wo er hinwollte. Der ehrgeizige Levee reiht sich als vielschichtige Figur in sein Schaffen. Es ist eine zerreißende Abschiedsvorstellung in einem Film, dessen Geschichte selbst kaum tragischer sein könnte.

Grundlage dieser Geschichte ist das gleichnamige Bühnenstück von August Wilson, das im Chicago des Jahres 1927 angesiedelt ist. Die Hitze steht in den Straßen. Ein bräunlich-goldener Schleier legt sich über das alltägliche Treiben. Allzu viel Zeit will Regisseur George C. Wolfe in dem Gewusel aber nicht verbringen. Ihn zieht es in die Räume eines Aufnahmestudios, wo die Ankunft von Ma Rainey sehnlichst erwartet wird. Die Aufnahme einer neuen Platte verspricht gute Verkaufszahlen, doch die Künstlerin lässt sich nicht blicken. Auch im Proberaum kommt es allmählich zu Anspannungen, allerdings aus einem ganz anderen Grund.

Während sich die alteingesessenen Band-Mitglieder Cutler (Colman Domingo), Toledo (Glynn Turman) und Slow Drag (Michael Potts) an die vorgegebenen Noten halten, versucht Levee, die vertrauten Songs durch seine eigenen Arrangements zu modernisieren. Mit symbolischer Geste spaziert er zu Beginn des Films mit neuen, glänzenden Schuhen ins Studio und wirbelt den Staub auf, der sich im Lauf der Zeit festgesetzt hat. Levee ist bereit, die Welt mit seinen Ideen zu verändern. Der Ausbruch gelingt ihm aber nicht. Die Freiheiten, die er sich mit der Trompete nehmen kann, haben nichts mit der Realität zu tun.

George C. Wolfe arbeitet in seinem – auf wenige Figuren und Schauplätze konzentrierten – Film mit mehreren starken Bildern, die Levees inneren Konflikt auf visueller Ebene spiegeln. Neben der Trompete und den Schuhen, die sowohl Aufstieg als auch Niedergang markieren, gehört zu diesen Bildern eine verschlossene Tür. Mit ganzer Kraft lehnt sich der junge Musiker dagegen. Er setzt alles daran, um der stickigen Luft im Proberaum zu entkommen. Schlussendlich verbirgt sich hinter dem vermeintlichen Tor in die Freiheit eine weitere Sackgasse. Der Himmel ist zu sehen, aber unerreichbar.

Ma Rainey’s Black Bottom bewegt sich immer wieder auf den Augenblick der Veränderung zu. Die Handlungen der Figuren geben allerdings wenig Hoffnung, dass der Film dort jemals ankommt. Eine unbeschreibliche Tragik liegt dem Drama zugrunde. Durch die herausragenden Schauspielleistungen des gesamten Ensembles ist sie trotzdem greifbar. In Erinnerung bleibt vor allem ein Blick von Chadwick Boseman, der die komplexen Entwicklungen im Finale mit verblüffender Präzision zusammenfasst. In dem Moment schmerzt nicht nur das Erzählte, sondern auch das Wissen um den Verlust eines Schauspielers, der gerade erst angefangen hat.

Beitragsbild: Ma Rainey’s Black Bottom © Netflix