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Mary Magdalene – Kritik

Am faszinierendsten ist Mary Magdalene, der neue Film von Lion-Regisseur Garth Davis, dann, wenn er die biblische Erzählung komplett in den Hintergrund verfrachtet und sich darauf konzentriert, wie sich die Menschen bewegen. Ganz beiläufig tritt hier plötzlich Jesus von Nazareth (Joaquin Phoenix) ins Bild, findet sich am Rand einer Gruppe wieder und beginnt, seine Gedanken mit den Menschen um ihn herum zu teilen. Die Kraft der Worte kommt jedoch keineswegs durch deren Lautstärke zu tragen, im Gegenteil: Dieser Jesus, den die junge Maria Magdalena (Rooney Mara) vorsichtig beobachtet, redet ruhig, geradezu zurückhaltend – und dennoch sammelt sich eine Menschentraube um ihn, die ihren Blick nicht mehr abwenden kann.

Was folgt, ist ein ständiges Wandern durch staubtrockene Gebiete. Eine ewige Reise über einen steinigen Weg. Und schließlich die Durchquerung der Stadttore Jerusalems, ein Ereignis, das vorzugsweise im Off und nur angedeutet stattfindet. Stattdessen faszinieren Garth Davis die gewaltigen Mauern des Tempelbergs, der markant aus der Landschaft ragt, während sich die Menschen dicht an dicht über schmale Pfade am getürmten Gestein entlang schlängeln. Greig Frasers Bilder finden einen andächtigen Einklang im Zusammenspiel mit der Musik aus der Feder von Hildur Guðnadóttir und Jóhann Jóhannsson. Derweil treffen mehr und mehr Menschen am Ort des Geschehens ein und lassen sich von der Masse wie in einem Ozean aus Gewändern treiben.

Waren anfangs in den Aufnahmen der Weite nur ein paar einzelne Gestalten zu erkennen, schwimmt die Kamera zu einem späteren Zeitpunkt förmlich in der Menge, die vom Gesprochenen befeuert und inspiriert wird, gleichzeitig aber auch in Ratlosigkeit verstummt, ehe ein nervöses Murmeln die Überhand gewinnt. Selbst im tanzenden Reigen der Geschlechter wirkt Maria Magdalena allerdings isoliert und unnahbar. Ihre suchenden Augen lassen sich von dem Schauspiel nicht blenden, sondern dringen durch den Trubel zum Kern der Sache vor, der den meisten Anwesenden – und höchstwahrscheinlich auch uns Zuschauern – (auf einer bildlichen Ebene) verborgen bleibt. Ausformuliert wird erst mit unglücklichen Texttafeln im Abspann.

Vorerst geht Maria Magdalena jedoch ihren eigenen Weg und trifft im Stillen gewichtige, womöglich sogar unerhörte Entscheidungen. Spannend sind dabei besonders ihre Beobachtungen als Verbundene im Geiste, die der Gemeinschaft angehört und trotzdem eine Außenstehenden ist: Ein Kuss in der Abenddämmerung, während die Olivenbäume den sich verdunkelnden Himmel durchbrechen. Blut, das sich mit Staub vermischt. Und schlussendlich die kleinen Steine, die in die Felsspalte zum Eingang des Grabes gelegt werden, ohne diesen wirkungsvoll zu versiegeln und dennoch ein Zeichen des endgültigen Abschieds zu setzen. Diese – bestenfalls assoziativ verbundenen – Eindrücke sind es, die Mary Magdalene in ein nachdenkliches wie stimmungsvollen Porträt verwandeln.

Mary Magdalene © Universal Pictures