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Mortal Engines – Kritik

Noch bevor sich das vertraute Universal-Logo vollständig ins Bild gedreht hat, wird die Erde zerstört, während aus dem Off eine tiefe Stimme vom Unheil der Menschen berichtet, das sie selbst über sich gebracht haben. Mortal Engines, die Adaption des gleichnamigen Romans von Philip Reeve, entführt in eine dystopische Zukunft, in der sich die wenigen Überlebenden der Apokalypse in fahrende Städte gerettet haben und nun die verwüstete Landschaft nach kostbaren Rohstoffen durchforsten, wobei plündern das bessere Wort wäre. Ja, Städte auf Rädern, angetrieben von monströsen Motoren dominieren diesen Steampunk-Blockbuster, der sich nicht so recht ins diesjährige Kinojahr einfügen will. Ein Außenseiter ist der Film von Christian Rivers, seines Zeichens für die visuellen Effekte von Peter Jacksons Lord of the Rings-Trilogie sowie King Kong und dem ersten Hobbit-Film verantwortlich. Fünf Minuten in der faszinierenden Welt von Mortal Engines genügen dem Film dennoch, um zu beweisen, dass wir ihn keinesfalls unterschätzen sollten.

Mit einer Verfolgungsjagd beginnt das große Abenteuer, das sich die Größe zur Hauptaufgabe gemacht hat. Nach all den mitreißenden Verfolgungsjagden, die es dieses Jahr bereits im Kino zu sehen gab, stellt Mortal Engines die Konkurrenz wortwörtlich in den Schatten. Wie aus dem Nichts taucht plötzlich ein gigantisches London auf, das sich einer schnaufenden Maschine gleichend mit rasender Geschwindigkeit durch die Ebene manövriert. Erinnerungen an Hayao Miyazakis wandelndes Schloss werden wach, doch von der Eleganz des poetischen Anime ist hier nicht viel zu entdecken. Mortal Engines ist gewaltig in seinen Dimensionen und überwältigend in den vielen detailreichen Bewegungen, die sich zu einer unaufhaltsamen Welle vereinen. Wenn dieses London in den ersten Minuten des Films auf eine bedeutend kleinere Stadt zurollt, ist aller Maßnahmen der Fliehenden zum Trotz klar, wie dieser unerbittliche Überlebenskampf enden wird: Die große Stadt verschlingt die kleine, während unzählige Zahnräder hektisch ineinandergreifen und schwarzer Qualm eifrig aus den Schornsteinen kommt, als würde der Kessel darunter gleich explodieren.

Die Leinwand kann gar nicht groß genug sein für diese Extravaganz, doch das Staunen ist das wertvollste Kapital des Films, der sich im Anschluss an seine eindrucksvolle Eröffnungssequenz in einem unglücklichen Drehbuch verläuft, das dem Reichtum der Welt keineswegs gewachsen ist. Zu viele Dinge gibt es hier zu entdecken, zu viele Gesetze und Regeln zu erklären. Was bei all diesen Anforderungen untergeht, ist das dynamische Zusammenspiel der Figuren, die in den meisten Fällen nur so weit ausgebaut werden, wie es für den Fortgang der Handlung nötig ist. Obwohl Christian Rivers vor seiner Kamera überwiegend unverbrauchte Gesichter versammelt, die diesem Blockbuster durchaus eine angenehme Frische verleihen, vermag der Film deutlich weniger aus seinen Figuren inklusive deren Schauspielern herauszuholen, als er im Aufeinandertreffen seiner riesige Städte entdeckt. Allein die Spuren, die das zerstörerische London hinterlässt, gleichen einem Graben, der so tief in die Erdschichten vergessener Jahrhunderte eindringt, dass die Vergangenheit, die sich hier stets im Konflikt mit Zukunft befindet, wieder lebendig wird.

In diesen Gräben versucht Mortal Engines, eine Mythologie zu schmieden, doch eines der ungeheuerlichsten Elemente des Films steigt aus den Untiefen des Meeres: eine wieder zum Leben erweckte Kreatur mit leuchtenden Augen. Der von Stephen Lang verkörperte Chrysler Peary macht Jagd auf unsere Protagonisten, Hester Shaw (Hera Hilmar) und Tom Natsworthy (Robert Sheehan), und bringt mit seinem metallenen Körper ein unglaubliches Gewicht in den Film, der seine Spezialeffekte nur bedingt unter Kontrolle hat und vor allem kräftige Farben sowie Kontraste und Konturen vermissen lässt. Sobald Chrysler Peary aber die Bildfläche betritt, bewegt sich etwas Unumstößliches durch das verseuchte Niemandsland, das keine überlebensgroße Stadt auf Rädern ist. Für die Größenverhältnisse ist das entscheidend, insbesondere aber für die emotionale Seite des Films, die ausgerechnet in der gruseligen Erscheinung eines tragischen Terminator-Verschnitts die aufrichtigsten Gefühle offenbart. Ausgeschöpft wird das vorhandene Potential allerdings nicht, dazu fehlt Mortal Engines schlicht die Konzentration.

Dennoch überzeugt die Reise durch ländliche wie urbane Schluchten mit vielen eigenwilligen Ideen, die im angepassten Blockbuster-Kino eigentlich keinen Platz mehr haben. Christian Rivers bannt Dinge auf die Leinwand, die direkt aus einem Film der Wachowski-Schwestern stammen könnten und sich irgendwo zwischen den unendlichen Ambitionen von Cloud Atlas, Jupiter Ascending und The Matrix wiederfinden. Wenn die Städte durchs Ödland rasen, blitzt gelegentlich die Wucht von Mad Max: Fury Road durch – und dann wäre da noch der Einfluss von Peter Jackson. Gemeinsam mit seiner Frau Fran Walsh hat er den Film produziert, während die beiden mit ihrer Langzeitkollaborateurin Philippa Boyens ebenfalls das Drehbuch schrieben. Trotz des eingespielten Teams hinter der Kamera gelingt es Mortal Engines nicht, an eine der vorherigen Zusammenarbeiten anzuschließen. Irgendetwas ist auf dem Weg verloren gegangen, vielleicht sogar zerbrochen. Geblieben ist lediglich eine gewisse Grundfaszination und die weiß Mortal Engines zumindest mit Bildern zu nutzen, die Appetit auf mehr machen, selbst wenn sie nur selten wirklich erfüllend sind.

Mortal Engines © Universal Pictures