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Mowgli: Legend of the Jungle – Kritik

Mowgli: Legend of the Jungle hat einen langen Weg hinter sich. Seit 2012 befindet sich die Adaption von Rudyard Kipling Dschungelbuch-Geschichte in der Entwicklung – ursprünglich als Jungle Book: Origins betitelt und mit Filmemachern wie Steve Kloves, Ron Howard und Alejandro González Iñárritu in Verbindung gebracht. Schlussendlich sollte der Film aber das Regiedebüt von Schauspieler und Motion-Capture-Star Andy Serkis werden, selbst wenn der Weg kein leichter war. Obwohl Mowgli: Legend of the Jungle bereits im Oktober 2016 in die Kinos kommen sollte, verschob Warner Bros. mehrmals den Kinostart, ehe Netflix den Film abkaufte und nun auf seiner eigenen Streamingplattform für alle Abonnenten rund um den Globus veröffentlicht.

Eine ereignisreiche, unerwartete und durchaus spektakuläre Entstehungsgeschichte hat Mowgli: Legend of the Jungle hinter sich. In der Zwischenzeit hat Andy Serkis mit Breathe unlängst einen zweiten Film in die Kinos gebracht, der nun als sein erstes Regiewerk in seine Filmographie steht, während Disney mit Jon Favreaus The Jungle Book-Remake an den Kinokassen fast eine Milliarde US-Dollar einspielen konnte. Genauso wie sein titelgebender Protagonist ist Mowgli: Legend of the Jungle damit ein faszinierender Außenseiter im Kinojahr 2018, der nach sechs ungewissen Jahren nur noch eine limitierte Anzahl an Kinoleinwänden für sich beanspruchen kann und überwiegend im Heimkino rezipiert wird. Richtig zu Hause fühlen kann sich dieser Film aber nicht mehr.

Entgegen der vielversprechenden Herangehensweise, ein düsteres Dschungelbuch zu verfilmen, das nur noch wenig mit dem fröhlichen Gesang des Disney-Klassikers zu tun hat, sondern sich auf die Bedrohlichkeit des Dschungels fokussiert, die Rudyard Kiplings Vorlage durchdringt, erweist sich Mowgli: Legend of the Jungle als unentschlossener Film. Zwar will Andy Serkis auf der einen Seite die Brutalität der Natur betonen und lässt Wunden sowohl bei Menschen als auch Tieren sichtbar werden. Die Zerrissenheit der verlorenen Seelen wird nicht nur in ihrem ungeduldigen Herzen deutlich, sondern ebenfalls durch die Narben und Verletzungen, die ihre physische Präsenz zeichnen. Dennoch kehrt Mowgli: Legend of the Jungle auf der anderen Seite immer wieder zur Märchenform zurück.

Niemand Geringeres als Cate Blanchett entführt mit ihrem Voice-over in diese märchenhafte Geschichte. Sie spricht Kaa, die verführerische, geheimnisvolle Schlange, die schon älter ist als der Dschungel selbst. Sie kennt die ungeschriebenen Gesetze der Natur und lässt uns Zuschauer Zeugen werden, wie diese gebrochen werden, bevor das Chaos ausbricht. Vor allem in seiner ersten Hälfte orientiert sich Mowgli: Legend of the Jungle an den vertrauten Dschungelbuch-Stationen, die in sagenhaften Landschaften vor prächtigen Sonnenuntergängen angesiedelt sind. Fraglos sieht Andy Serkis in Rudyard Kiplings Werk auch etwas Romantisches und Fantastisches, das dem Mythos Dschungel keineswegs abgeneigt ist. Seine Mowgli-Geschichte verliert sich gerne im Abenteuer.

Mit Gemütlichkeit funktioniert am Ende trotzdem nichts: Mowgli (Rohan Chand) muss sich ständig beweisen und wird auf die Probe gestellt. Die Fronten im Dschungel verhärten sich, während der Tonfall zunehmend rauer und unheimlicher wird, ehe die zweite Hälfte des Films einen Blick in die Menschenwelt (und die Kolonialgeschichte) offenbart. Dieser oft vernachlässigte Dschungelbuch-Teil nimmt in Andy Serkis Werk eine ausgesprochen wichtige Funktion ein – gerade im Hinblick auf das Zusammenspiel mit den durch Motion-Capture zum Leben erweckten Tieren. Serkis, der sich durch seine Gollum-Darstellung in der Lord of the Rings-Trilogie als Pionier des Verfahrens behauptete und die Technik eindrucksvoll in den neuen Planet of the Apes-Filmen weiterentwickelte, gerät ausgerechnet bei Mowgli: Legend of the Jungle an seine Grenzen.

Sein Streben, die Tiere möglichst realistisch darzustellen, vereint sich viel zu selten mit der Tatsache, dass sie am Ende redend durch die Gegend laufen und trotzdem tote Augen in ihren menschlichen Gesichtszügen dominieren. Mowgli: Legend of the Jungle wirkt in seinen Motion-Capture-Elementen extrem unausgeglichen, was gerade im Zusammenspiel zwischen Mowgli und seinen vierbeinigen Freunden für Irritation sorgt. Allein die Stimmen der Schauspieler (u.a. Christian Bale, Tom Hollander, Naomi Harris und Benedict Cumberbatch) ermöglichen eine gewisse Dynamik, bis Mowgli die Menschenwelt entdeckt und der Film in einer nahe gelegenen Siedlung endlich zu sich findet. Hier wirbeln Farben durch die Luft und Mowgli verschlägt es vor Staunen die Sprache.

Ab diesem Moment fangen die Bilder an, mehr zu erzählen, als es einem sprechenden Tier jemals möglich wäre. Als wäre Mowgli: Legend of the Jungle ein Stummfilm entdeckt die Kamera plötzlich Nuancen im Dschungel, die zuvor nur bedingt erkenntlich waren. Andy Serkis fühlt sich als Regisseur in diesem Teil des Films definitiv sicherer, was nach wie vor verwunderlich ist, da er für gewöhnlich die Integration von Motion-Capture wie kein zweiter in Hollywood versteht. Besonders die Beziehung zu dem Jäger John Lockwood (Matthew Rhys) erweist sich aber als Rettungsanker dieses Films, der lange Zeit etwas unentschieden zwischen seinen verschiedenen Einflüssen und Ansprüchen pendelt. Dazwischen versteckt sich aber eine spannende Meditation über die verschiedenen Kräfte, die auf den Dschungel einwirken und diesen gestalten.

Mowgli: Legend of the Jungle © Netflix