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News of the World – Kritik

Sorgfältig rollt er das Papier aus, beugt sich im Kerzenschein über die Buchstaben und holt tief Luft: Es ist ein Ritual, das sich mehrmals in News of the World wiederholt. Der neue Film von Paul Greengrass folgt dem ehemaligen Captain Jefferson Kyle Kidd (Tom Hanks), der im Amerikanischen Bürgerkrieg für die Südstaaten kämpfte. Zuvor hat er sich als Drucker verdient, jetzt reist er von Stadt zu Stadt, um die Kunde der Welt zu verbreiten.

Kidd ist gewissermaßen ein Nachrichtensprecher, der wichtige Ereignisse und Entwicklungen an die Menschen heranträgt, die ansonsten keinen Zugang zu Neuigkeiten haben. In dieser Rolle ist er ebenfalls Botschafter und Aufklärer, Vermittler und Unterhalter, im Zweifelsfall sogar Streitschlichter und Ordnungshüter. Sorgfältig wählt er die Nachrichten aus, die er bei seinen abendlichen Lesungen den Anwesenden präsentiert.

Greengrass zeigt die hingebungsvolle Arbeit eines Professionellen, der auf den ersten Blick gar nicht in die staubige Westernkulisse passt. Kidd hat sich deutlich schneller als der Rest der Welt weiterentwickelt, jedoch ohne die Menschen um sich herum abzuhängen. Vielmehr beschäftigt ihn die Frage, wie er Vorurteile und Ignoranz durchbricht, um auf das vorzubereiten, was früher oder später sowieso eintrifft: die Veränderung.

Ausgerechnet dieser aufgeschlossene Mann begegnet einem Mädchen, das er nicht versteht. Weder ihre Sprache, noch ihren Hintergrund: Die zehnjährige Johanna Leonberger (Helena Zengel) wurde einst von Kiowa entführt und aufgezogen. Doch jetzt ist der Stamm ausgelöscht und sie sitzt verloren zwischen zwei komplett verschiedenen Welten da. Kidd macht es sich zur Aufgabe, Johanna zu ihren Verwandten zu bringen.

Paul Greengrass hat nicht nur einen Film über Kommunikation gedreht, sondern auch über Wege. Beide Elemente wirken sich in News of the World direkt aufeinander aus. Sie sind Chance wie Hindernis. Kidd, der glaubt, sowohl Sprachen als auch Distanzen durchschaut zu haben, muss seine Welt im Zuge der unerwarteten Begegnung neu ordnen. Hinter der Routine kommt ein verdrängter Schmerz zu Vorschein.

Anders als Johanna, die all ihre Gefühle einfach in die Welt hinausschreit, fehlt Kidd in diesen Momenten das Vokabular, um das auszudrücken, was ihn wirklich beschäftig. Tom Hanks spielt den Captain als grüblerische Figur, die zwar herzerwärmend und beruhigend gegenüber anderen auftritt, ihren inneren Friede aber nur durch den grauen Bart vortäuscht. Auch bei ihm ist die Frage der Heimat und Zugehörigkeit eine ungeklärte.

Es ist nicht nur Hanks, der News of the World mit seinem Schauspiel am Leben hält. Nach ihrem großen Durchbruchsfilm, dem deutschen Drama Systemsprenger, liefert Helena Zengel ein beeindruckendes Hollywood-Debüt ab und setzt dem zweifachen Oscar-Preisträger eine komplexe Figur gegenüber, die sich nicht leicht durchschauen lässt. Verständnis und Unverständnis gehen Hand ind Hand in der Beziehung der beiden.

Trotz aller Unterschiede, die durch die Menschen in diesem von Umbrüchen bestimmten Amerika zum Vorschein kommen, verfolgt Paul Greengrass einen versöhnlichen Ansatz. Der Idealismus überwiegt in der Adaption des gleichnamigen Romans von Paulette Jiles definitiv. News of the World ist trotz aller Schrecken, die am Wegesrand lagern, ein Film geworden, der aufrichtig und hoffnungsvoll in die Zukunft blickt.

Beitragsbild: News of the World © Universal/Netflix