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Nope – Kritik

Bereits in den ersten Sekunden von Nope passiert etwas unfassbar Grausames. Wo sich eben noch das Publikum bei der Aufnahme der beliebten Sitcom Gordy’s Home amüsierte, erreichen uns plötzlich aus dem Off panische und angsterfüllte Schreie. Der sonst so liebenswürdige Schimpanse im Mittelpunkt des Network-Sensation attackiert seine Co-Stars im Scheinwerferlicht – ein blutrünstiges Ereignis, von dem wir jedoch nur Bruchstücke zu Gesicht bekommen. Trotz mehrerer Kameras, die auf das Set gerichtet sind, spähen wir durch die Kulisse, ohne ein klares Bild zu erhalten.

Das Grauen findet in unserem Kopf statt, flankiert von verschwommenen Eindrücken und der Ungewissheit, was schlimmer ist: der konkrete Schrecken oder die Vorstellung davon. Der ganze Film wird von diesem Konflikt durchzogen. Immer wieder deutet Regisseur und Drehbuchautor Jordan Peele aufwühlende Ereignisse an, zeigt sie aber nie komplett. Nach Get Out und Us hat er einen starken Film geschaffen, der mit Erwartungen spielt, Spektakel inszeniert und hinterfragt und ein bemerkenswertes Bewusstsein für die Geschichte und die Beschaffenheit von bewegten Bildern besitzt.

Peele weiß, dass das, was auf der Leinwand passiert, zum Staunen einlädt. Noch mehr interessiert er sich aber für die Frage, ob es sich kontrollieren lässt und was der Preis dafür ist. Wenn sogar die Dreharbeiten einer gemütlichen Sitcom im Blutbad enden können, ist in dem Hollywood von Nope nichts mehr sicher. Kein Wunder, dass selbst das Pferd von OJ (Daniel Kaluuya) gegen eine Attrappe ausgetauscht wird, die sich mit der sterilen Greenscreen-Umgebung verträgt, in der alles geschaffen werden kann. Machtlos muss der Pferdezüchter dabei zuschauen, wie er im Kino verschwindet.

Dabei ist seine Familie seit den Anfängen involviert, wie OJs Schwester Em (Keke Palmer) stolz berichtet. Während sich die ganze Welt an Eadweard Muybridges wegweisende Bewegungsstudie The Horse in Motion von 1878 erinnert, kennt keiner den Namen des Schwarzen Reiters, der das Pferd in den Aufnahmen geritten hat. OJ und Em sind seine Nachkommen. Mit jedem Tag wird ihre Familie und das von Generation zu Generation übertragene Handwerk weiter aus dem Geschäft gedrängt. Doch dann eröffnet sich ihnen abseits großer Filmsets die Möglichkeit, ihren Fußabdruck zu hinterlassen.

Obwohl die Ankunft einer mysteriösen Wolke, die seelenruhig am Himmel steht und ihren Schatten wirft, etwas Beunruhigendes ausstrahlt, überwiegt zuerst die Faszination für die Anomalie. Was, wenn sich hier das letzte Geheimnis versteckt, das noch nicht eingefangen wurde? Ein bisschen Close Encounters of the Third Kind, ein bisschen War of the Worlds: Trotz tödlicher Konsequenzen hoffen Peeles Figuren auf die erste richtig gute Aufnahme von einem UFO. Wo das Pferd trotz jahrelangem Training zum austauschbaren Gut geworden ist, wäre das Alien-Beweis von unermesslichem Wert.

Knapp ein halbes Jahrhundert nachdem Steven Spielberg mit Jaws den Begriff des Blockbuster-Kinos neu definiert hat, schafft Peele eine Attraktion, um den modernen Blockbuster auf den Prüfstand zu stellen. Sein UFO verwandelt sich in ein hungriges Filmmonster, das vom Jäger zum Gejagten wird. Es ist wunderschön und erschreckend. Dem klassischen Spielberg-Gesicht, das vor Staunen seinen Blick nicht abwenden kann, setzt Peele die titelgebende Verneinung entgegen. In Nope kann es sich niemand leisten, angewurzelt stehenzubleiben und den Kopf Richtung Himmel zu strecken.

Stattdessen bewegt sich der Film auf ein von Bewegung durchdrungenes Finale zu, in dem OJ selbst zum Reiter wird, um das Ungeheuer vor die Linse zu kriegen, während um ihn herum das digitale mit dem analogen Kino konkurriert. Der aufgewirbelte Sand verwandelt sich in ein Sinnbild für das Trauma, das aus Ausbeutung und der Obsession nach Spektakel resultiert. Ironischerweise wird am Ende keine dieser Bewegungen für die Ewigkeit festgehalten. Anstelle einer Bildfolge bleibt ein einzelnes Standbild – und ein Reiter, der nicht mehr aus der Filmgeschichte radiert werden kann.

Beitragsbild: Nope © Universal Pictures