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On the Rocks – Kritik

Eben noch war da eine Treppe, die in einen Raum voller Leidenschaft und Leben führte. Das nächste Mal, wenn wir den Schritte von Laura (Rashida Jones) folgen, erzählen sie eine andere Geschichte. Der Funke, der anfangs in den Bildern glühte, ist verschwunden. Stattdessen bahnt sich Laura ihren Weg durch das dunkle New Yorker Apartment, in dem sie mit ihrem Mann, Dean (Marlon Wayans), und ihren zwei Töchtern lebt. Spielzeug liegt verstreut auf dem Boden, zur Ordnung bedarf es nicht mehr als ein paar routinierter Handgriffe. In Wahrheit sind es vor allem aber Gefühle, die hier verstaut werden.

Schon in diesen ersten Minuten ihres neuen Films schafft Sofia Coppola ein berührendes Porträt von Einsamkeit. On the Rocks reiht sich somit perfekt in das sorgfältige Schaffen der Filmemacherin, die sich zuletzt in die Vergangenheit wagte und von isolierten Figuren im Amerikanischen Bürgerkrieg erzählte. In einer solchen Extremsituation befindet sich ihre jüngste Protagonistin zwar nicht. Doch jede weitere Einstellung, die Lauras Gesicht erforscht, verdeutlicht, dass dieser etwas zu entgleiten droh. Sie kann das tief in ihrem Inneren verborgene Empfinden nur nicht mit Worten formulieren.

Als Dean von einer Geschäftsreise nach Hause kommt, schläft er unmittelbar neben ihr ein. Was Laura irritiert, ist aber etwas anderes: Kurz zuvor blickt Dean ihr in die Augen, jedoch nicht wie der Mann, den sie geheiratet hat, sondern wie ein Fremder, der schlaftrunken im falschen Hotelzimmer gestrandet ist. Eine seltsame Begegnung in der Dunkelheit, die Misstrauen schafft, auch wenn die Sorgen tagsüber unbegründet scheinen. Einmal mehr treffen bei Sofia Coppola idealisierte Lebensvorstellungen auf eine dunkle Vorahnung, die sich zunehmend ausbreitet und droht, alles zum Einsturz zu bringen.

Für jede Frage, die sich Laura stellt, erhält sie eine Antwort, die ihr nicht gefällt, besonders ab dem Punkt, an dem ihr Vater, Felix (Bill Murray), auf den Plan tritt. Mit einer unverschämten Sorglosigkeit bringt er nicht nur ihren Alltag durcheinander, sondern reißt Sofia Coppolas Film auch ein Stück weit an sich. Er gleicht einer Fantasiefigur, die auf unerschöpfliche Ressourcen zurückgreifen und überall auftauchen kann. Mitunter wirkt es, als gäbe es kein Geheimnis, das Felix nicht kennt, keine Bekanntschaft, die er nicht gemacht hat, so leichtfüßig bewegt er sich durch die Metropole.

Felix zögert nicht mit dem Gedanken, den Laura kaum auszusprechen wagt: Sehr wahrscheinlich hat ihr Mann eine Affäre mit einer seiner Kolleginnen. Um diese Theorie zu beweisen, will Felix ihm nachspionieren, insgeheim wird er jedoch von dem Scherbenhaufen angetrieben, den er einst bei seiner eigenen Familie hinterlassen hat. Er weiß es nur noch nicht – und Laura ebenso. Erst nach und nach nimmt Sofia Coppola die Unbeschwertheit aus der einnehmenden Vater-Tochter-Beziehung, in der sich die Figuren mehr oder weniger unterbewusst mit ungeklärten Konflikten arrangiert haben.

Trotz der recht konventionellen Dramaturgie, die On the Rocks zugrunde liegt, fühlt sich der Film nie vorhersehbar, geschweige denn durchschaubar an, da sich Sofia Coppola ihren Figuren auf vielen verschiedenen Ebenen annähert. Mal sind es feine Dialoge, die Gemeinsamkeiten offenbaren, mal ein bewusster Schnitt, der Differenzen aufzeigt. Vor allem aber erzählen eingestreute Stadtaufnahmen aus Lauras Gefühlswelt. Nur wenige Filmemacher lassen Straßenlichter so schön im Hintergrund verschwimmen wie Sofia Coppola. Dieses New York ist ein ganz fantastische Kulisse für On the Rocks.

Regnerisch und gräulich tritt die Stadt in Erscheinung. Gleichzeitig entpuppt sie sich als Abenteuerspielplatz, wenn Felix mit einem roten Alfa Romeo den Geist eines Retro-Spionagefilms beschwört. Am faszinierendsten ist dieses New York jedoch als Metropole, die Millionen von Menschen fasst und dennoch zum einsamsten Ort auf gesamten Planeten werden kann. Genau hier entdeckt Sofia Coppola die magischsten Momente. Da finden sich die Figuren dann in abgedunkelten Räumen wieder, die abseits vom Rest der Welt gelegen scheinen, und entdecken plötzlich, was sie wirklich verbindet.

On the Rocks © Apple TV+