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Pelikanblut – Kritik

Mit Tore tanzt mischte Katrin Gebbe vor sieben Jahren die hiesige Filmlandschaft auf. Nach einem Tatort-Abstecher ins Fernsehen meldet sie sich nun auf der großen Leinwand zurück und erzählt von einer aufwühlenden Mutter-Tochter-Geschichte, wobei sich ihr Film auf keinen Fall in derartig offensichtliche Muster einordnen lässt. Pelikanblut bewegt sich zwischen verschiedenen Genres und Perspektiven. Selbst Begriffe wie Mutter und Tochter gilt es zu erforschen, ehe sie überhaupt ausgesprochen werden können.

Die von Nina Hoss verkörperte Wiebke lernen wir als Besitzerin eines Reiterhofs kennen, bevor ihre Rolle als Mutter genauer vorgestellt wird: Vor vielen Jahren hat sie mit Nicolina  (Adelia-Constance Ocleppo) ein Kind adoptiert. Die beiden Leben glücklich und abgeschieden vom Rest der Welt. Nur eine Reiterstaffel der Polizei bringt die Großstadt auf den Hof, wenn es darum geht, für Demonstrationen und andere Einsätze zu trainieren. Hier trifft also auch die Freiheit des Individuums auf die Strenge einer Institution.

Richtig in Gang gesetzt wird die Handlung aber von einem anderen Ereignis: Wiebke will ihre Mutterrolle ausbauen und nimmt die fünfjährige Raya (Katerina Lipovska) bei sich auf, um ihre kleine Familie im Geborgenen zu vergrößern. Spannend ist da fraglos die Polizeipräsenz, die – gerade im Hinblick auf die vergangenen Monate – gänzlich unterschiedliche Emotionen hervorruft, zumal wir die Menschen hinter den Schutzhelmen im Zusammenspiel mit den Pferden sehen, auf denen sie später reiten sollen.

Pelikanblut beschäftigt sich dabei vor allem mit der Vertrauensbasis, die es zu schaffen gilt – zwischen den Menschen und den Tieren, aber auch den Menschen unter sich. Dieser Handlungsstrang verwandelt sich zunehmend in einen Spiegel, wenn es um die Annäherung zwischen Raya und ihrer neuen Familie geht – und da dreht der Film völlig frei. Plötzlich wandelt Pelikanblut auf den Spuren von William Friedkins The Exorcist, allerdings weit ab von dem mythologischen Überbau, der mit der Teufelsaustreibung einhergeht.

Vielmehr beobachten wir, wie Wiebke versucht, einen Zugang zu ihrer neuen Tochter zu finden, die sich mehr und mehr als unberechenbares Monster entpuppt und die Menschen in ihrer Umgebung taktisch terrorisiert. Ein blutiger Pferdekopf, der auf einer Lanze aufgespießt vom Unheil kündet, ist am Ende aber nicht das Resultat von Rayas Machenschaften, sondern Ausdruck davon, wie weit Wiebke bereit ist, für ihre Familie zu gehen. Nachdem das System versagt, zieht sie eine Schamanin und schwarze Magie zurate.

Spiralförmig steigert sich diese Geschichte. Trotz dem Gefühlschaos bleiben die meisten Grenzüberschreitungen aber rumpfartig zwischen den verschiedenen Genrebestandteilen stecken. Das Trauma und die ungeklärten Konflikte tief im Inneren der Figuren kommen ab einem gewissen Punkt nur noch durch Extreme zum Vorschein. Pelikanblut verliert sich damit in Eskalation, was in seiner Konsequenz durchaus bemerkenswert ist. Die stärksten Momente des Films gehören aber der Annäherung im Stillen.

Pelikanblut © DMC