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Pieces of a Woman – Kritik

Es ist unmöglich, über Pieces of a Woman zu reden, ohne den niederschmetternden Auftakt des Films zu erwähnen. Seit seiner Premiere bei den Filmfestspielen von Venedig sorgt der Einstieg in das neue Werk von Kornél Mundruczó für Aufsehen, denn es passiert das Unfassbare – und zwar in einer Einstellung ohne Schnitt. Das junge Paar Martha Weiss (Vanessa Kirby) und Sean Carson (Shia LaBeouf) erwartet die Geburt ihres ersten Kindes und hat sich dazu entschieden, dieses in den eigenen vier Wänden zur Welt zu bringen. Doch dann stirbt das Baby wenige Sekunden nach der Geburt.

Diese Sequenz als eindringlich zu umschreiben, wäre eine Untertreibung. Was mit warmen, freundlichen Bildern von Geborgenheit beginnt, verwandelt sich mit jeder weiteren Minute in eine herausfordernde Filmerfahrung. Über 20 Minuten klebt die Kamera an den Figuren und geht jeden Pulsschlag mit. Schreie vor Glück, dann vor Schmerz und Trauer: Vermutlich ist kein Film in der Lage, die echten Gefühle eines solch tragischen Moments wiederzugeben. Mundruczó versucht dennoch, möglichst viele verschiedene Emotionen einzufangen, indem er alles zeigt. Wobei „alles“ in diesem Fall relativ ist.

Zwischen drei Figuren teilt die Kamera ihre Aufmerksamkeit und rückt bestimmte Ereignisse in den Fokus. Neben Martha und Sean gehört die Hebamme Eva (Molly Parker) dazu. Sie wird später für den Tod des Kindes verantwortlich gemacht und vor Gericht angeklagt. Denn niemand weiß, wie mit einer solchen Situation umzugehen ist, aber die Aussicht auf Gerechtigkeit erweckt die Illusion von Halt und Sicherheit. Leider sind es nicht nur die Figuren, die nach der aufwühlenden Eröffnung in ein tiefes Loch fallen. Auch Pieces of a Woman, der Film, gerät auf einmal in einen gelähmten Zustand.

Anfangs wirkt es, als würde die Inszenierung Marthas Verschlossenheit imitieren. Bald flüchtet die Geschichte aber in unausgereifte Nebenhandlungen, denen es nicht gelingt, die Wucht der erschütternden Geburtsszene aufzufangen und weiterzudenken. Mundruczó und Drehbuchautorin Kata Wéber, die hier ihr Theaterstück gleichen Namens neu aufbereiten, scheitern an den eigenen Ambitionen. Tief holen sie Luft, um sich dem komplexen Thema zu stellen. Die Antworten, die sie auf ihre unbequemen Fragen finden, sind jedoch überraschend einfach und dadurch unbefriedigend.

Pieces of a Woman will etwas Unbegreifliches begreifbar zu machen. In den meisten Fällen scheitert allerdings der Versuch, den zentralen Schicksalsschlag zu verarbeiten. Erst wenn die Kamera den Rest der Welt ausklammert und tief in die Augen von Vanessa Kirby blickt, entfaltet Pieces of a Woman seine wahre Größe. Kirby spielt die Rolle mit der Intensität, die der Film von sich selbst nur behauptet. Symbolbilder wie der Bau einer Brücke, der das langsame Heilen von Wunden verdeutlicht, sind nach dem Abspann schnell verblasst. Die Wahrhaftigkeit von Kirbys Schauspiel wird dagegen lange bleiben.

Beitragsbild: Pieces of a Woman © Netflix