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Priscilla – Kritik

Mit einem Lächeln, das sie vor Stolz kaum zurückhalten kann, läuft die junge Priscilla Beaulie (Cailee Spaeny) durch den Gang ihrer Schule. Begleitet vom Fluss der Musik und einer makellosen Kamerabewegung verschwindet die Trostlosigkeit des einengenden Ortes. Niemand der Umherstehenden ahnt, was sie – dieses unscheinbare 16-jährige Mädchen – gerade erlebt hat. Hinter ihrem schüchtern strahlenden Blick verbirgt sich ein Geheimnis. Priscilla hat gerade Elvis getroffen. Ja, den Elvis Presley (Jacob Elordi). Berühmt. Unsterblich. Niemals will sie ihn vergessen. Verliebt. Verträumt. Sie gleitet durch eine Fantasie, doch schon bald soll der Vorhang zurückgezogen werden.

Nachdem Baz Luhrmann letztes Jahr die Geschichte des King of Rock ’n‘ Roll als rauschhaften Musikfilm erzählt hat, widmet sich Sofia Coppola nun in einem intimen Porträt dem Leben von Priscilla Beaulie, die später zu Presleys Ehefrau wurde. Zwillingsfilme, wie sie unterschiedlicher kaum sein könnten. Es passiert nicht oft, dass zwei dermaßen einzigartige Stimmen des Kinos so kurze Zeit hintereinander um ein und dieselbe Legende der Popkultur kreisen und zwei komplett unterschiedliche Filme auf die Leinwand bringen. Der von Coppola inszenierte Priscilla ist jedoch mehr als nur ein Begleitstück zu Luhrmans ekstatischen Elvis. Es ist ein flüsterndes Epos.

Sofia Coppolas Kino wird seit ihrem Spielfilmdebüt, The Virgin Suicides aus dem Jahr 1999, von diesem Flüstern begleitet. Die wahre Größe ihrer Filme entfaltet sich in der Stille unzähliger kleiner Beobachtungen, die uns die gezeigte Welt begreifbar machen. Auch in Priscilla tastet sich Coppola Stück für Stück an ihre Figuren heran – mit einem klaren Fokus auf die umwerfend von Cailee Spaeny verkörperte Priscilla. Jedes Detail mustert sie in pastellfarbenen Aufnahmen, angefangen bei Priscillas Haaren über ihre Wimpern bis hin zu ihren Zehen, die vorsichtig über einen üppigen Teppich streifen, als würden sie sich ihren Weg durch ein Labyrinth voller ungeahnter Abgründe bahnen.

Die Erkundung des Materials spielt in Priscilla eine große Rolle. In keinem anderen Film dieses Jahr finden sich so viele Close-ups von Gegenständen, Körperteilen und den Stoffen, die sich elegant über diese legen. Priscilla ist ein Film, in dessen Textur man stundenlang versinken kann. Zärtliches Licht und sorgfältige Bildkompositionen: Wenige Filmschaffende bringen so viel Gefühl in ihre digitalen Bilder wie Coppola. Mit Kameramann Philippe Le Sourd, mit dem sie bereits bei The Beguiled und On the Rocks zusammengearbeitet hat, entwickelt sie ihr eigenes Rauschen zwischen perfekt eingesetzten Songs und den Versatzstücken einer Coming-of-Age-Geschichte.

Für Priscilla scheint in den ersten Minuten des Films ein Traum in Erfüllung zu gehen, als sich die Begegnung mit Elvis Presley in eine Märchengeschichte verwandelt. Der King ist zärtlich und schaut ihr tief in die Augen, was sonst niemand tut. Also gar kein King, sondern ein sehr nahbarer Mensch. Coppola, die ebenfalls das Drehbuch schrieb und dabei auf Priscilla Presleys Memoiren Elvis and Me zurückgriff, geht lange Zeit die Fantasie ihrer Protagonistin mit. Nach und nach schleichen sich trotzdem ungemütliche Zwischentöne in die Elvis-Begegnungen. Der Mann aus Priscillas Träumen ergreift mehr und mehr Besitz von ihr, bis er sie nur noch als Objekt begreift.

Immer wieder diskutieren die Erwachsenen, ob Priscilla aufgrund ihres Alters in der Lage ist, eine so wichtige Entscheidung wie das Zusammenleben und die spätere Heirat mit Elvis zu treffen. Schlussendlich ist es jedoch nicht Priscilla, der es an Reife fehlt, sondern ihrem Gegenüber. Elvis ist in Wahrheit der Junge, der sich die Zeit mit Freunden und Affären vertreibt, während ihm ein unsichtbarer Colonel Parker übers Telefon alle Anweisungen für seine Karriere diktiert – inklusive Auswirkungen auf Priscilla, für die sich das große Anwesen Graceland in ein Gefängnis ohne Gitter transformiert. Es reicht die erdrückende Schwere der Vorhänge, um ihr die Freiheit zu nehmen.

Coppola porträtiert eine junge Frau, die sich die Einsamkeit vieler ihrer anderen Filmfiguren teilt, allen voran Charlotte aus Lost in Translation. Isoliert vom Rest der Welt bewegt sich Priscilla durch eindrucksvoll dekorierte und trotzdem unheimlich leere Räume. Mit jeder vergehenden Sekunde droht sie, selbst in dieser Leere zu verschwinden. Aus unschuldigem Staunen wird ein stummes Befolgen von Befehlen. Doch egal, wie oft Elvis versucht, seine Frau als Teil des Inventars von Graceland einzuordnen: Cailee Spaenys subtiles Spiel verleiht Priscilla eine hypnotisierende Präsenz, die sich nicht katalogisieren lässt. Genauso leise, wie sie das Haus betreten hat, verlässt sie es am Ende.

Beitragsbild: Priscilla © Mubi/A24