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Public Enemies – Kritik

Nachdem er sich bereits mit Collateral und Miami Vice an das digitale Filmemachen herangetastet hatte, wechselte Michael Mann 2007 schließlich komplett und ließ die 35-mm-Bilder hinter sich zurück. Durchwegs mit HD-Kameras gedreht entpuppt sich Public Enemies somit bis heute als einer der faszinierendsten Filme in seinem Schaffen: Eine längst vergangene Zeit erwacht dank moderner Technologie zu neuem Leben. Michael Mann versucht allerdings gar nicht erst, den Look der 1930er Jahre authentisch nachzustellen, sondern setzt jener Dekade das ungeschminkte digitale Bild gegenüber.

Radikal sind folglich nicht nur die Taten von John Dillinger (Johnny Depp), sondern auch Michael Manns filmische Herangehensweise an die Geschichte eines Mannes, der zur Schlüsselfigur einer Zeitenwende wird. Die Große Depression hat Amerika fest im Griff, wenn FBI-Direktor J. Edgar Hoover (Billy Crudup) 1933 den ersten Krieg gegen das Verbrechen ausruft und Agent Melvin Purvis (Christian Bale) damit beauftragt, den Staatsfeind Nr. 1 zu fassen. Während das alte Amerika zerbricht, bezeugen wir hier die Geburtsstunde eines neuen Amerikas, das trotz ungeahnten Chancen nur sehr zögerlich und mit skeptischen Blicken in Empfang genommen wird.

Ein letztes Mal können die Outlaws Banken überfallen und danach ihren Siegeszug durch die Straßen antreten, da das Verhältnis zwischen Gesetz und Gewalt noch ausgelotet wird. John Dillingers Feuerwaffen entgegnet J. Edgar Hoover mit der Macht der Information – spätestens an diesem Punkt befinden wir uns wieder in einem waschechten Michael Mann-Film, der Einblick in Prozesse gibt. Sei es der brutale Ausbruch aus dem Gefängnis oder ein kluger Schachzug des FBI: Viele Abläufe können in Public Enemies beobachtet werden, am spannendsten gestaltet sich die historische Veränderung im Hintergrund.

Das Gestern verblasst im Angesicht der Morgendämmerung, unaufhaltsam ist diese Bewegung, selbst wenn sich die Menschen und Institutionen des Landes nicht alle gleich schnell anpassen können oder wollen. John Dillinger lässt sich von der Bewegung aber definitiv mitreißen, wenn er Billie Frechette (Marion Cotillard) erklärt, dass für ihn nicht entscheidend ist, woher sein Gegenüber kommt, sondern wohin es geht. Die Zukunft, in die er rastlos hechtet, entpuppt sich als eine ungewisse und steht damit im direkten Kontrast zur Zukunft, die J. Edgar Hoover mit seinem mühsam angesammelten Informationen vor Augen hat.

Gefahren existieren genauso wie Möglichkeiten auf beiden Seiten der großen Verfolgungsjagd, die als Motor des Films fungiert. Am Ende bestimmen einmal mehr die Kugeln den Lauf der Geschichte. Trotz ihrer vernichtenden, tödlichen Konsequenz zementieren sie den unsterblichen Mythos des Gesetzlosen. Geschickt eröffnet Michael Mann verschiedene Perspektiven auf das Geschehen: Wo er in John Dillinger einen Helden entdeckt, hinterfragt er gleichzeitig dessen Machenschaften als Gangster. Die Kamera beobachtet somit ein episches Finale in Zeitlupe, schafft durch die digitalen Bilder jedoch ebenso Distanz und betont die Inszenierung des Ganzen.

Davor besucht Michael Mann mit seinem Protagonisten nochmal das Kino, um dem Rattern des Projektors zu lauschen, der W.S. Van Dykes Manhattan Melodrama in schwarz-weißen Bildern auf die große Leinwand wirft. Auf wahren Begebenheiten basiert diese Anekdote, Geschichte geschrieben hat aber das Blutvergießen im Anschluss. Michael Mann schöpft daraus seine eigene Kinopoesie und konfrontiert die Kälte des Digitalen schlussendlich mit etwas unglaublich Gefühlsgetriebenem. So mechanisch sich der Film auf sein Finale zubewegt: Was bleibt, sind die wehmütigen Streicher von Elliot Goldenthal. Die Form löst sich in pure Emotionen auf.

Public Enemies © Universal Pictures