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Queen & Slim – Kritik

Das Musikvideo zu Beyoncés Formation hat sie unsterblich gemacht, jetzt liefert Melina Matsoukas ihren ersten Spielfilm ab: Queen & Slim taucht ein in eine Welt voller Ungerechtigkeit und erzählt die aufwühlende, tragische Geschichte zweier Menschen, die sich auf der Flucht verlieben. Alles beginnt mit einem unscheinbaren Date. Doch als die Anwältin Queen (Jodie Turner-Smith) und der Verkäufer Slim (Daniel Kaluuya) in eine Polizeikontrolle geraten, nimmt ihr gemeinsamer Abend eine schicksalhafte Wendung. Die Situation eskaliert und der Cop zieht seine Waffe. Was folgt, ist ein Streifschuss und die verheerende Notwehr: Slim erschießt den Gesetzeshüter, sodass den beiden nichts anderes bleibt als die Straße, die niemals endet.

Unmöglich können sie am Tatort bleiben. Sich stellen kommt auch nicht infrage, zu gering ist das Vertrauen in das System, das sie eigentlich beschützen sollte, schlussendlich aber nur an den Rand drängt und ihren Untergang befeuert. Deswegen verschwinden Queen und Slim mit ihrem Auto in der Nacht – ein erschütternder Einstieg in einen Film, der sich nachfolgend trotzdem nicht an die Rastlosigkeit der Fluchtbewegung klammert. Obwohl es nur eine Frage der Zeit ist, bis Helikopter über den beiden kreisen, entdeckt Melina Matsoukas ebenfalls eine unerwartete Gelassenheit in diesem Amerika, das sich gleichermaßen als grausamer wie wunderschöner Ort entpuppt – besonders dann, wenn die Kamera schwerelos durch die Landschaft gleitet.

Queen & Slim bewegt sich dabei stets zwischen zwei verschiedenen Polen. Auf der einen Seite ist da die bittere Realität mit Polizeigewalt und (institutionellen) Rassismus. Eine Welt, in der Menschen systematisch unterdrückt und benachteiligt – im Fall von Queen & Slim sogar verfolgt – werden. Lena Waithes Drehbuch zieht bewusst Parallelen zu unserer Gegenwart, auch wenn sich Queen & Slim mitunter anfühlt wie ein aus der Zeit gefallenes Märchen. An diesem Punkt kommt die andere Seite des Films zum Vorschein, die verträumt ist, mit einer Tendenz zum Fantastischen und Surrealen. Ein Rausch aus Musik und Bildern: In diesen Momenten schöpft Melina Matsoukas eindrucksvoll aus ihrem Erfahrungsschatz als Musikvideoregisseurin.

Manchmal verliert sich der Film zu sehr in Augenblicken. Aber genau diese Augenblicke machen die Reise erst so wertvoll und schaffen die Erinnerungen, die bleiben werden. Denn was bleibt – das fragen sich Queen und Slim auf ihrer Flucht mehr denn je. Täglich konfrontiert mit dem Umstand, dass ein Leben im Bruchteil einer Sekunde ausgelöscht werden kann, wird deutlich, dass die große Sehnsucht einem Vermächtnis gilt. Jemand zu sein, der bleibt, selbst wenn er nicht mehr da ist: Melina Matsoukas gibt als Antwort auf diese Frage eine Liebesgeschichte, die immer mehr in den Vordergrund tritt, obgleich es in den ersten Minuten des Films so aussah, als würde sie niemals stattfinden.

Diese Liebesgeschichte wird aber nicht nur von Sehnsucht angetrieben, sondern ebenso von Wut, Hass und Verzweiflung. Einen Widerspruch, den Queen & Slim in einer herausfordernden Montage bündelt, in der Lust und Liebe auf Gewalt und Angst treffen – also beide Seiten des Films in einem Strudel sich stetig steigernder Gefühle vereint. Nicht immer gelingt Melina Matsoukas dieser Spagat, doch ihr Gespür für Bildkompositionen lässt sie nie im Stich. Besonders dann nicht, wenn sich Queen & Slim an meditative Orte zurückzieht, die allein durch ihre Farben und Klänge zum Leben erwachen, mal im Schein verschwommener Lichter in der Nacht, mal im Angesicht der strahlenden Sonne. Eine kraftvoll Filmerfahrung voller Unebenheiten. 

Queen & Slim © Universal Pictures