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Seberg – Kritik

Gleich in den ersten Sekunden von Seberg gilt es mehrere Ebenen zu durchdringen. Zuerst ist da das Bild von Johanna von Orléans, die auf einem Scheiterhaufen verbrannt werden soll, ehe die Kamera einen Schritt zurücktritt und das Filmset von Otto Premingers Historienfilm Saint Joan aus dem Jahr 1957 offenbart. Aus der französischen Nationalheldin wird die Schauspielerin Jean Seberg – und wenn wir noch einen Schritt weitergehen, blitzt hinter Make-up und Maske ein weiteres vertrautes Gesicht auf, nämlich das von Kristen Stewart, die Seberg im gleichnamigen Biopic von dem gefeierten Theaterregisseur Benedict Andrews verkörpert.

Ein spannender Einstieg in einen Film, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, seine Protagonistin aus verschiedenen Perspektiven zu beleuchten und von Anfang an ihre Gefühlszustände auf verschiedenen Ebenen verarbeitet. Bewusst wählt Benedict Andrews einen Schnittpunkt in ihrer Karriere, aus dem sich vieles ableiten lässt. Da wäre etwa Jean Seberg als Hollywood-Star, der durch Außer Atem zur Ikone der Nouvelle Vague avancierte, nun jedoch in Katastrophenfilmen wie Airport und dem Western-Musical Paint Your Wagon mitspielen soll. Eine andere Jean Seberg hat sich insgeheim schon lange vom Kino verabschiedet und strebt nach etwas anderem.

Als sie 1968 auf den Black-Power-Akivisten Hakim Jamal (Anthony Mackie) trifft, konkretisieren sich ihre Ambitionen und sie stellt sich trotz dem politischen Klima auf seine Seite – in einer Szene sogar im wahrsten Sinne des Wortes. Ein Umstand, der wiederum das FBI auf den Plan ruft. Fortan verfolgt der Agent Jack Solomon (Jack O’Connell) und sein Partner Carl Kowalski (Vince Vaughn) die Schauspielerin auf Schritt und Tritt. Spätestens an diesem Punkt ist Seberg kein konventionelles Biopic mehr. Auch Elemente des Politthrillers halten fortan Einzug in die Geschichte und erweitern den Dialog rund um die verschiedenen Rollen, die Jean Seberg abseits von Hollywood zu spielen hat.

Entgegen dieser vielversprechenden Herangehensweise entpuppt sich Seberg allerdings selten als überzeugendes Unterfangen. Benedict Andrews, der vor vier Jahren mit Una ein aufwühlendes Kinodebüt abgeliefert hat, nachdem er zuvor ausschließlich für die Bühne inszenierte, steht immer kurz davor, die dramaturgischen Dimensionen seines Films mit aller Konsequenz zu erforschen. Im entscheidenden Augenblick schweift er jedoch ab und lässt sich von den zahlreichen Impulsen des Drehbuchs in eine andere Richtung treiben. Einzelne Szenen sind somit überaus präzise beobachtet. Das große Bild, das Andrews hier offensichtlich verfolgt, vermag aber nie zu entstehen.

Vielmehr ist es Kristen Stewart, die den Film zusammenhält und ihre Filmographie um eine weitere denkwürdige Darbietung voller feiner Nuancen erweitert. Mitunter verschwindet Jean Seberg komplett aus den Film und zurückbleibt ein Drama mit Kristen Stewart, das über das Verhältnis eines Stars und seiner Umwelt meditiert. Erwartungen von außen treffen auf persönliche Entscheidungen von innen: Es gibt kein Entkommen aus dem Licht der Scheinwerfer, den Blitzen der Kameras und dem Klicken der Mikrofone, die das FBI in der gesamten Wohnung versteckt hat. Seberg erzählt davon, wie schwer es ist, sich von einem vorgefertigten Bild zu lösen und sein eigenes zu Schaffen.

Eine Schauspielerin gehört jedem – nur nicht sich selbst. Sogar in den Momenten, in denen sich Jean Seberg in die Einsamkeit ihres Pools flüchtet und unter Wasser taucht, ist der Schatten all jener zu Spüren, die Besitzanspruch auf sie anmelden. Von Dreharbeiten, die mehr als körperliche Wunden hinterlassen, gelangen wir schließlich in eine Bar, in der Jean Seberg mit ihrer eigenen FBI-Akte konfrontiert wird. Wunderschön gefilmt ist diese Szene, besonders im Hinblick auf Rachel Morrisons tiefe 35-mm-Aufnahmen, doch der Film ist nicht ganz dort angekommen, wo er sein müsste, um der niederschmetternden Tragweite dieses Augenblicks gerecht zu werden.

Seberg © Studiocanal