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Sentinelle – Kritik

Die französische Soldatin und Dolmetscherin Klara (Olga Kurylenko) befindet sich bei einem Kriegseinsatz in Syrien. Fünf Sprachen spricht sie fließend, doch im entscheidenden Augenblick versagt jegliche Kommunikation. Sentinelle beginnt mit einer schicksalhaften Explosion, die von Regisseur Julien Leclercq in Ultrazeitlupe eingefangen wird. Es ist ein exploitativer Moment, der den maximalen Schauwert aus der verheerenden Situation herausholt. Aber auch einer, der uns Klaras Ohnmacht effektiv vor Augen führt. Die Splitter der Bombe finden sich danach im gesamten Film wieder.

Aufgrund einer posttraumatischen Belastungsstörung wird Klara nach Nizza versetzt. Für die Patrouillengänge am Strand, bei denen es hauptsächlich darum geht, Tourist*innen den Weg zu weisen, ist sie sichtlich überqualifiziert. Die Rückkehr in die Heimat – und damit die Rückkehr zu ihrer Mutter Maria (Antonia Malinova) und ihrer Schwester Tania (Marilyn Lima) – gibt ihr dennoch ein Stück Geborgenheit zurück. Ihr Trauma kann Klara allerdings nicht überwinden, denn selbst in der Sonne von Nizza warten grausame Erinnerungen an das, was sie in Syrien erlebt hat.

Sentinelle offenbart sich als unerwartet ruhiger Film, der mit kalten Bildern die Leere seiner Protagonistin illustriert. Klara wirkt, als wäre sie durch eine unsichtbare Wand von den Menschen in ihrer Umgebung getrennt. Die Welt zieht an ihr vorbei, während sie alleine durch das sommerliche Paradies jagt, verfolgt von den Schatten ihrer Vergangenheit. Das Drama verwandelt sich jedoch schon bald in einen Rachethriller: Als Klaras Schwester vergewaltigt wird, beschließt sie, den Mann zu finden, der dafür verantwortlich ist. Von ihrer Rolle als Dolmetscherin hat sie sich an diesem Punkt komplett verabschiedet.

Fortan dominieren Schläge, Tritte und Schüsse das Geschehen. Die Gewaltspirale steigert sich von Szene zu Szene, allerdings verwandelt sich Sentinelle nie in das aufwühlende Actioninferno, das der Film sein könnte. Julien Leclercq scheitert daran, Dynamik in die Bewegungsabläufe zu bringen, geschweige denn ein Gespür für die Orte zu schaffen, die Klara im Rachemodus aufsucht. Es herrscht eine merkwürdige Teilnahmslosigkeit. Alles ist sofort da, nichts kann entdeckt werden – das gilt sowohl für Gegenspieler*innen als auch den Schmerz, der die Protagonistin in die Einsamkeit treibt.

Was bleibt, ist ein Film voller Bruchstücke, der vor allem seine Hauptdarstellerin im Stich lässt. Seit ihrem Durchbruch in Quantum of Solace hat Olga Kurylenko regelmäßig bewiesen, dass sie ihren eigenen großen Actionfilm mehr als verdient hat. Viel zu oft aber kommt sie nur in unausgegorenen Produktionen unter, die ihrem Talent nicht gerecht werden. In Sentinelle balanciert sie eindrucksvoll die kompromisslosen und die zerbrechlichen Facetten ihrer Figur. Der Rest des Films erweist sich – trotz spannender Impulse – jedoch kaum als mitreißendes Unterfangen.

Beitragsbild: Sentinelle © Netflix