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So was von da – Kritik

Die Stadt pulsiert in den fiebrigen Stunden vor dem nächsten Jahr, so sehr, dass sie Jakob Lass in seiner Adaption von Tino Hanekamps Roman So was von da kaum zu fassen kriegt. Anfangs bahnen sich die Figuren um Oskar Wrobel (Niklas Bruhn) noch ihren Weg durch ein Hamburg. Nach und nach jedoch versinkt es in der Dämmerung, während Türen eingetreten und die ersten Raketen angezündet werden. Dieses Silvester soll unvergleichlich werden, konkret in Form einer eskalierenden Abrisspart. Der Club, den Oskar zusammen mit einem Freund und Geschäftspartner Pablo (David Schütter) betreibt, wird ein letztes Mal dafür sorgen zum Schauplatz von Blaulichtern, die auf die Ruhestörung und anderen Krawall mitten in der Nacht reagieren – wobei, in dieser Nacht ist sowieso alles egal. Nicht nur schuldet Oskar dem Zuhälter Kiez-Kalle (Kalle Schwensen) eine beträchtliche Summe Geld. Nein, er befindet sich in einem dieser undefinierbaren Gänge zwischen Abschiedsvorstellung und Neuanfang.

Ein merkwürdiges Gefühl breitet sich auf, während Explosion auf Explosion folgt. Mal sind es die Gefühle, mal die Musik – und dann das funkelnde Feuerwerk, das sich glitzernd über die Stadt legt und für einen Moment die Zeit stehen lässt. In diesem Stillstand würde Oskar am liebsten für immer verweilen, weswegen er sich gleich im Prolog des Films das Ende wünscht. Jetzt, der Abspann – das wäre perfekt. Oskar ist so was von da. Jakob Lass stellt sein Werk dagegen ab der ersten Minute infrage und beweist damit genau das Gegenteil. Auf keinen Fall ist der junge Regisseur und Drehbuchautor, der zuletzt mit Love Steaks und Tiger Girl die hiesige Filmlandschaft aufrüttelte, dort angekommen, wo er eines Tages hinwill. Seine Filmographie liest sich bisher wie ein wildes Ausprobieren, ein Grenzen überwinden und natürlich auch ein beherztes Scheitern. Jakob Lass ist nicht nur eine Stimme des deutschen Mumblecore und Verbreiter des FOGMA-Regelwerks, sondern vor allem hungrig auf den Rausch der Bilder.

Diesen Drang kann er in der längsten Nacht in Oskars Leben hemmungslos ausleben. So was von da will filmgewordener Rausch sein und niemals zur Ruhe kommen. Dabei entwickelt sich durchaus ein mitreißender Sog, der die Umgebung vergessen lässt und zunehmend davon profitiert, dass sich die Handlung des Films ins Innere des Clubs verlagert. Selbst wenn das neue Jahr unlängst angebrochen ist und die Sonne – geradezu stechend – durch Schlitze in den verbarrikadierten Fenstern strahlt, herrscht im Herzen dieses Labyrinths aus dröhnenden Bässen und aufsteigendem Nebel einnehmende Finsternis, die nur das künstliche Licht in all seinen Farben durchbrechen kann. Ein faszinierender Mikrokosmos entwickelt sich hier, wo Fantasien erfüllt werden, wie sie am Kliff der Realität zerschellen. Tatsächlich bleibt zur Erkenntnis und Unterscheidung dieser beiden Pole aber keine Zeit, denn Jakob Lass tut es seinem Protagonisten gleich und fokussiert sich nur auf das Hier und Jetzt.

Zusammengehalten wird So was von da vom Ort des Geschehens, denn die meisten Figuren erweisen sich als überaus unzuverlässige Partyfreunde, verschwinden sie genauso schnell von der Bildfläche, wie sie diese in einem unwahrscheinlichen Moment wieder betreten. Was folgt, ist eine Irrfahrt durch die engen Gänge des Clubs, die Zeit ist der Gegner und ein Ziel nur bedingt vorhanden. Vielmehr sind es einzelne Eckpfeiler, die Jakob Lass im ersten Akt aufstellt, ehe er sie danach nur noch zum Anlehnen und Luft holen nutzt, nachdem er sich auf der Tanzfläche verausgabt hat. Die Möglichkeiten einer unendlichen Nacht: Gleich zwei Werke von Sebastian Schipper kommen unweigerlich in den Sinn, wenn So was von da in teils überdrehten, teils melancholischen Aufnahmen den raren Augenblick der Ewigkeit sucht. Vor drei Jahren war es Victoria, die sich im Berlin der Dämmerung verirrte. Viel früher schon – und genauso wie So was von da in Hamburg angesiedelt – suchten jedoch Absolute Giganten nach ihrem Glück.

„Wie spät ist es eigentlich?“, fragt der von Frank Giering verkörperte Floyd ganz unscheinbar in Sebastian Schippers unvergesslicher Hamburg-Hymne. Knapp zwei Dekaden später hallt dieser Satz immer noch wie kaum ein zweiter des deutschen Kinos nach, verspricht er eine unheimliche Sehnsucht, die niemals Erfüllung finden wird, obwohl exakt dieser Moment vollkommen ist. So was von da befindet sich ebenfalls eine ganze Nacht lang auf der Suche nach diesem Moment, begegnet seinen Figuren jedoch nie auf einer dermaßen intimen, ehrlichen und natürlichen Ebene, da die Stilwut überwiegt und – der Entwicklung dieser langen Partynacht entsprechend – die Konzentration verloren geht. „Das macht ja nix“, würde an dieser Stelle Kiez-Kalle mit verlogener Anteilnahme sagen, denn in seiner Welt existieren nur die Oberflächen und Posen, selbst wenn sie bis ins Groteske verzerrt sind. Aber vielleicht macht es tatsächlich nix, denn Jakob Lass ist eben doch noch nicht da, sondern auf dem Weg – und was gibt es Spannenderes als ihm auf diesem zu folgen?

So was von da © DCM/Gordon Timpen

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