The Book of Boba Fett hat sich lange davor gedrückt, den Sinneswandel seiner Figur in konkrete Worte zu fassen. Über den Verlauf von drei Episoden sind wir mit dem titelgebenden Kopfgeldjäger durch das Dünenmeer von Tatooine gezogen. Dort hat er sich neu erfunden – befreit von den Attributen, die ihn bisher im Star Wars-Universum ausgezeichnet haben. Kein Schiff und keine Rüstung: In den Flashbacks der Serie ist Boba Fett (Temuera Morrison) nackt. Ein vernarbter Körper, der sich mehr und mehr von seiner alten Hülle entfremdet und nach einer größeren Berufung sucht. Jetzt hat er sie gefunden.
Die vierte Folge, namentlich The Gathering Storm, enthüllt die Motivation des Protagonisten prägnant in einer Szene: Nach seiner Nahtoderfahrung in der Sarlacc-Grube und den niederschmetternden wie aufbauenden Erfahrungen, die er im Kreis der Tusken gesammelt hat, war für Boba Fett klar, dass er als Kopfgeldjäger in der Galaxis nicht mehr glücklich wird. Zu oft hat er erlebt, wie die Mächtigen unüberlegte Entscheidungen getroffen und überflüssige Opfer gefordert haben. Obwohl er zuvor selbst von diesem System profitierte, will er als neuer Daimyo von Tatooine andere Pfade erforschen.
Es ist die offensichtlichste Erklärung für sein Handeln. Im Grunde liegt sie seit Beginn der Serie auf der Hand. Umso verwunderlicher ist es, dass sich Serienschöpfer und Drehbuchautor Jon Favreau so lange Zeit gelassen hat, um den Kern der Figur freizulegen. Dafür, dass wir mit The Gathering Storm die Staffelhälfte überqueren, gestaltet sich die vermeintliche Enthüllung als äußerst unbefriedigendes Unterfangen. Mitunter wirkt es, als würde The Book of Boba Fett angestrengt auf Zeit spielen, wofür es aber gar keinen Grund gibt. Denn spannende Fragen bringt die Serie zuhauf mit.
Einer der interessantesten Punkte ist der Umgang mit dem Vermächtnis der Figur, sowohl auf erzählerischer als auch auf popkultureller Ebene. War Boba Fett aufgrund seiner äußerlichen Merkmale bis dato der Star Wars-Badass schlechthin, stolpert er jetzt überfordert durch den Wüstensand. The Book of Boba Fett stellt der unreflektierten Coolnes einen gebrochenen Helden gegenüber. Oder wie Fennec Shand (Ming-Na Wen) es formulieren würde: „Living with the Tuskens has made you soft.“ Boba Fett widerspricht mit grüblerischem Blick. Sich auf andere einzulassen, hat ihn stark gemacht.
Die besten Star Wars-Geschichten der letzten Jahre haben uns neue Perspektiven auf vertraute Figuren und Ereignisse ermöglicht. Im spärlichen Licht der Dämmerung verblasst in The Book of Boba Fett die Erinnerung an den geheimnisvollen, unantastbaren Einzelgänger, der in der ganzen Galaxis gefürchtet wird. Favreau ist trotzdem nicht in der Lage, die Wandlung überzeugend vorzutragen. Seinen Drehbüchern fehlt es an Weitsicht und Gewicht. Er will umkrempeln, traut sich aber nicht, zu schürfen, geschweige denn, sich auf etwas festzulegen. Eine vertane Chance folgt auf die nächste.
Ausgerechnet eines der stärksten Bilder der Folge fasst den Zustand der Serie perfekt zusammen. Boba Fett schwebt mit der Slave I über der Sarlacc-Grube, jenem Ort, der für ihn gleichermaßen Grabes- wie Geburtsstätte ist. Wie bei einer Sonnenfinsternis schiebt sich das Raumschiff in einer sagenhaften Einstellung über den Schlund, bis nichts mehr zu erkennen ist. Dunkelheit. Und dann schießt die Bestie nach oben und versucht, mit ihren Tentakel die Slave I in den Abgrund zu reißen. Es ist unmöglich, der Vergangenheit zu entkommen. Den Tauchgang durch ihre Untiefen wagt Favreau aber nicht.
Sobald der Sarlacc dank einer seismischen Bombe (nach wie vor einer der besten Star Wars-Sounds) ein für alle Mal erledigt ist, wühlt Boba Fett in den Innereien nach seiner Rüstung – ein Prozess, den die Serie ausspart. Dabei ist das der Punkt, an dem die Figur am meisten mit sich ringt. Der neue Boba Fett sammelt die Hülle des alten ein, zuerst das Schiff, dann die Rüstung. Was ein spannender Widerspruch sein könnte, um die Ambivalenz der Figur zu befeuern, verpufft in Willkür. Am Ende verlässt sich Favreau einmal mehr darauf, dass ein angedeuteter Gastauftritt Momentum in die Serie bringt.
Beitragsbild: The Book of Boba Fett © Disney+/Lucasfilm
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