Drücken Sie „Enter“, um den Inhalte zu überspringen

The Lost City of Z – Kritik

Eine vergessene Stadt am Ende der Welt: The Lost City of Z, der neue Film von James Gray, entführt in die Tiefen des bolivianischen Dschungels und verwandelt sich dabei in ein mehrere Dekaden umspannendes Epos. Basierend auf dem gleichnamigen Romanaus der Feder von David Grann erzählt die Geschichte von dem britischen Entdecker Percy Fawcett (Charlie Hunnam), der sich zu Beginn des 20. Jahrhunderts an Orte wagt, die nur wenige Menschen vor ihm gesehen haben – so zumindest der Glaube des britischen Empires, das sich unter keinen Umständen die Existenz einer unbekannten Zivilisation eingestehen will, die womöglich nicht nur weiter entwickelt, sondern auch bedeutend älter als das eigenen Königreich war. The Lost City of Z offenbart sich dabei als Chronik einer Zeitenwende und reiht sich somit perfekt in James Grays Schaffens nach The Immigrant ein.

Altmodisch wirken die ersten Bilder in The Lost City of Z, als wären sie aus einer anderen Epoche des Filmemachens entsprungen. In gelblichen Tönen legt sich stets eine romantisierende Lichtquelle über die Aufnahmen und sollte dieser Quell, der das Grün von Wiesen, Feldern und Bäumen zum Glänzen bringt, versiegen, so bleibt in aller Dunkelheit das Licht von Feuer und Flammen. Ehe der Film seine erzählerischen Ambitionen überhaupt erahnen lässt, rahmt James Gray das Porträt eines Außenseiters in einen goldenen Rahmen, der gleichermaßen Schönheit wie Schrecken auf die große Leinwand wirft. Kameramann Darius Khondji folgt einem visuellen Konzept, das einem lebendigen Geschichtsbuch gleicht: Diese Reise ins Herzen der Finsternis sprüht geradezu vor Abenteuer und Entdeckergeist, stets geprägt vom einem unglaublichen Bewusstsein des Konträren.

Mal verliert sich die Kamera in den dichten Baumkronen des Amazonas, ein anderes Mal fängt sie die sanften Staubkörner hinter dem Vorhang der britischen Heimat ein. Doch was ist überhaupt diese Heimat? Ist es jener Ort, an dem man geboren, aber nicht angenommen wurde? Oder ist es das Ziel einer kräftezehrenden Odyssee ins Unbekannte, die mehr als ein ritterliches Wagnis erfordert? Percy Fawkett, dessen Familienname aufgrund der Verfehlungen seines Vaters beschmutzt ist, kann diese Frage zu Beginn der Handlung kaum beantwortet. Verzweifelt versucht er, aus dem Schatten des verstorbenen Ahnen zu treten. Die britischen Krone benutzt seine unglückliche Position allerdings nur aus und schickt ihn nach Südamerika in den Dschungel. Dort soll er fortan das Land vermessen, ehe die Unruhen zwischen Bolivianern und Brasilianern eskalieren; ein kühnes wie unmögliches Vorhaben.

James Gray, der ebenfalls das Drehbuch schrieb, dokumentiert in The Lost City of Z den Verlauf einer fiebrigen Irrfahrt, die ihren Protagonisten zwischen zwei Kontinenten pendeln lässt – in einer Zeit, in der sich die Welt im Umbruch befindet. Nicht nur kündigt sich am Horizont der Erste Weltkrieg an, nein, die globalen Konflikte vereinen sich ebenso mit dem Familiären. Ehe Percy Fawcett seine wahre Bestimmung gefunden hat, entpuppt sich James Gray erneut als sorgfältiger Chronist, der sich ein ganz bestimmtes Kapitel der jüngeren Weltgeschichte ausgesucht hat, um sowohl im großen als auch im kleinen Rahmen über das Leben und die Menschen sowie das gesellschaftliche Konstrukt, in dem sie sich bewegen, nachzudenken. Dabei erschafft er seine eigene Version des Entdecker-Mythos und verleiht ihm in erster Linie einen Anstrich von Aufklärung, Wahnsinn und Obsession.

The Lost City of Z ist ein Dokument von dem Glauben und der Überzeugung, dass der Mensch nie in der Lage sein wird, alle Geheimnisse dieser Welt zu entschlüsseln. James Gray sieht darin jedoch nichts Negatives. Vielmehr findet er einen Weg, Neugier zu befriedigen und dennoch die Magie des Unerkannten zu wahren. Dass historische Korrektheit dabei keine vordergründige Rolle spielt, fällt kaum ins Gewicht. Stattdessen steht The Lost City of Z für die Ideen und den Geist einer Ära, die unabwendbar auf ihr eigenes Ende zusteuerte und trotzdem verbittert bemüht war, den eigenen Status quo zu erhalten. Denn wenn sich nichts verändert, dann herrscht Frieden. Kein Wunder, dass sich der Film – wie eingangs erwähnt – den Schein des Altmodischen zunutze macht und wie ein altes Gemälde wirkt, das soeben entstaubt wurde und voller Erinnerungen einen ganz bestimmten Glanz ausstrahlt, der wiederum eine ungeahnte Sehnsucht weckt.

The Lost City of Z © Studiocanal