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The Man Who Killed Don Quixote – Kritik

Jetzt ist er da, nach mehr als 25 Jahren in der Entwicklung, wie es gleich in den einleitenden Texttafeln von The Man Who Killed Don Quixote geschrieben steht. Die Tragik der Worte ist unbeschreiblich, das Augenzwinkern, mit dem sie von Terry Gilliam auf die große Leinwand gebannt werden, ebenso. Mehrmals versuchte der britische Regisseur, die Abenteuer von Don Quixote de la Mancha als modernes Kino-Märchen zu adaptieren, als Zeugnis seines Scheiterns existiert neben unzähligen Berichten die niederschmetternd Making-of-Doku Lost in La Mancha von Keith Fulton dun Luis Pepe, die sich dem Niedergang des ersten Produktionsversuchs widmet. Jeder weitere Anlauf, The Man Who Killed Don Quixote ins Kino zu bringen, endete in einer neuen Katastrophe, wodurch das, was der Film im Lauf der Jahre hätte werden können, zu einer der aufregendsten Fantasien der jüngeren Kinogeschichte avancierte.

Doch nun ist die verwunschene Umsetzung vollbracht. Als Abschlussfilm feierte The Man Who Killed Don Quixote im Rahmen der diesjährigen Filmfestspielen von Cannes seine Premiere und besiegelte damit das (vermeintlich) letzte Kapitel einer verblüffenden Verkettung von Ereignissen, sodass sich die Frage stellt, ob sich der Film überhaupt noch über das Tohuwabohu um ihn herum hinwegsetzen kann. Terry Gilliam überquert die Ziellinie mit einem Stolpern und Schritt voller Entschlossenheit, der sich die kräftezehrenden Niederlagen des Projekts nicht anmerken lässt, obgleich The Man Who Killed Don Quixote in seiner jetzigen Form durch und durch Dokument einer chaotischen Produktionsgeschichte ist. Das Faszinierendste dabei ist: Während sich der Film alleine durch seine Existenz entmystifiziert, nutzt Terry Gilliam jede der 132 Minuten, um sein Herzensprojekt endlich angemessen ausufernd in Szene zu setzen.

Zuerst sind da riesige Filmsets, die von Adam Driver als arroganter Werberegisseur Toby kontrolliert werden, was The Man Who Killed Don Quixote gleich zu Beginn in einen Film über die Prozesse des Filmemachens verwandelt. Kamera-Equipment, Scheinwerfer und Kulissen ragen wie Fremdkörper aus der spanischen Landschaft, während Terry Gilliam genüsslich einen Film im Film heraufbeschwört und die Grenzen zunehmend verschwimmen lässt. Munter verteilt er Seitenhiebe Richtung Hollywood und zieht mit seiner eigenen Vita ins Gericht, wodurch sich The Man Who Killed Don Quixote deutlich spielerischer auf einer Metaebene bewegt, als dass er zum Kern seiner Figuren vordringt, die sich – wie gewohnt bei Gilliam – überdreht durch geschäftige Szenen schlängeln. Das ist vergnüglich, besonders im Zusammenspiel mit skurrilen Einfällen aller Couleur. Überzeugend wird The Man Who Killed Don Quixote jedoch erst, wenn er sich auf einzelne Elemente dieses gigantischen Gilliam-Potpourri konzentriert.

Wenn Toby im toten Winkel einer Werbeproduktion seine eigene Vergangenheit als ambitionierter Filmemacher entdeckt, findet The Man Who Killed Don Quixote ein filmisches Äquivalent zu all den verschiedenen Stadien, die eine Filmproduktion durchlaufen kann, ehe sie eines Tages als undankbarer Kompromiss in die Kinos kommt und nicht weiter von ihrem Ausgangspunkt entfernt sein könnte. Terry Gilliam gesteht dem Filmemachen in seiner Geschichte eine bemerkenswerte Rolle ein, denn der Film kann gleichermaßen erschaffen wie zerstören, sowohl in der inszenierten als auch in der echten Welt. Als Künstler folgt Toby seinen Träume, ohne die Verwüstung zu bemerken, die er im Angesicht seines Eifers hinterlässt. Ausgerechnet als gelangweiltes, frustriertes Genie, verschlägt es ihn später an den Ort der verklärten Erinnerung zurück, wo er aufgefordert wird, seine Leidenschaft neu zu entdecken, dieses Mal ausgestattet mit einem Bewusstsein für die vernichtenden Kräfte dieser.

Die versöhnliche Note von The Man Who Killed Don Quixote wird allerdings von einer schonungslosen Sehnsucht nach dem Untergang, nach dem Wahnsinn verfolgt. Die Tragik, die den Film in die Kinos begleitet, findet sich dementsprechend auch zwischen den Bildern wieder, die alles daran setzten, um der digitalen Optik zu trotzen, um die Illusion eines rohen Abenteuers heraufzubeschwören, bis jenes schließlich die Überhand gewinnt. Plötzlich verschwinden sie, die Kameras, die Scheinwerfer und die Kulissen: The Man Who Killed Don Quixote verschlingt sich selbst, hingebungsvoll dem Durcheinander verfallen, das eine Trennung der einzelnen Bestandteile von Film und Film im Film unmöglich macht. Am Ende dieser schwindelerregenden Odyssee weiß ach Terry Gilliam keinen Ausweg mehr und tut es seinem Protagonisten gleich, der sich entgegen der gesammelten Erfahrung in seiner Fantasie verliert. Trotz seiner Existenz bleibt The Man Who Killed Don Quichote somit ein faszinierenden Rätsel über den Drang und die Versuchung des Filmemachens.

The Man Who Killed Don Quixote © Concorde Filmverleih