Bevor im Dezember Star Wars: The Rise of Skywalker das letzte Kapitel der Skywalker-Saga aufschlägt, erwartet uns mit The Mandalorian die erste Realserie aus dem Star Wars-Universum. Bereits George Lucas arbeitete nach Vollendung der Prequel-Trilogie an einem solchen Projekt und bewies damit einmal mehr, dass er seiner Zeit weit voraus war. Bevor Blockbuster-Serien wie Game of Thrones geboren wurden, träumte der Schöpfer der weit, weit entfernten Galaxis von einem Deadwood im All, das sich an Abenteuerfilmen der 1930er und dem Film noir 1940er Jahre orientiert hätte. Schlussendlich konnte seine Vision aufgrund der finanziellen Hürden nie umgesetzt werden.
Anno 2019 hat sich die Serienwelt gewandelt. Budgets jenseits der 100-Millionen-Dollar-Grenze pro Staffel sind kein Problem mehr, erst recht nicht mit den Ressourcen von Disney+ im Rücken. Gleich mehrere Star Wars-Serien befinden sich bei Disneys hauseigenem Streaming-Dienst in der Entwicklung. The Mandalorian feiert als erste ihre Premiere. Doch wie fühlt es sich an, wenn die große Sternensaga aus dem Kino auf die heimischen Bildschirme kommt? Ein Gefühl davon haben in den vergangenen Jahren Animationsserien wie The Clone Wars und Star Wars Rebels gegeben. Die erste serielle Live-Action-Unternehmung bewegt sich dennoch auf einem völlig anderen, neuen Level.
Kreiert von Jon Favreau, der zuletzt das The Lion King-Remake ins Kino brachte, entfaltet sich The Mandalorian als sehr klassische und traditionelle Star Wars-Geschichte. Nicht zuletzt sind die visuellen Überschneidungen mit dem allerersten Film der Reihe nicht zu übersehen. Die Pilotfolge, die von The Clone Wars- und Rebels-Veteran Dave Filoni inszeniert wurde, bringt all die rauen und rohen Aspekte mit, die vor über vier Dekaden Krieg der Sterne und zuletzt das Spin-off Rogue One: A Star Wars Story ausgezeichnet haben. Mitunter fühlt sich die ersten Episode von The Mandalorian wie ein Spaziergang durch Jedha City an, wenn wir Pedro Pascal als einsamen Revolverhelden an den Rand der Galaxis folgen.
Verantwortlich dafür ist Rogue One-Kameramann Greig Fraser, der nun auch The Mandalorian in beeindruckte Bilder hüllt: Seine Vorstellung von fremden Planeten und Kreaturen im Outer Rim ist eine kühle, aber klare – und vor allem eine wunderschöne. Greig Fraser liebt das Licht der Dämmerung und besitzt ebenfalls ein Auge für die Details, die das Star Wars-Universum zum Leben erwecken. Viele kleine Szenen spielen sich im Hintergrund ab, wenn der Mandalorianer durch die Gegend streift, als wäre er ein geistiger Nachfahre von Clint Eastwoods namenlosen Fremden aus Sergio Leones Dollar-Trilogie. Wie ein wortkarger Western lässt uns The Mandalorian jedes Sandkorn und jede Windböe spüren.
Es ist durchaus ein Wagnis, einen völlig neuen Helden ohne Gesicht und Namen einzuführen, zumal Pedro Pascals Mandalorian auf den ersten Blick wie ein uninspirierter Boba Fett-Klon wirkt, was die Frage nach seiner Identität zusätzlich verkompliziert. Wer ist dieser stumme Kopfgeldjäger, der offenbar zu den besten seines Fachs gehört, uns am liebsten jedoch den Zugang zu seiner Person komplett verwehrt. Mit der Ausnahme einer etwas holprig integrierten Flashback-Sequenz bleibt somit nur die – durch seinen Helm verzerrte – Stimme, um mehr über seine Motivationen zu erfahren. Schlussendlich erzählt The Mandalorian dann am meisten, wenn niemand redet, denn Stille nimmt in dieser Serie eine unerwartet große Rolle ein.
Auf auffälligsten gestaltet sich hierbei der Gebrauch von Ludwig Göransson Soundtrack. Nachdem Michael Giacchino und John Powell bei den Anthologiefilmen auf John Williams’ atemberaubender Filmmusik aufbauten, wendet sich der schwedische Komponist bisher am meisten von den vertrauten Star Wars-Klängen ab und setzt verstärkt auf mechanische Klänge, die das garstige Element der unfreundlichen Planeten herausarbeiten. Ganz im Zeichen der Western-Atmosphäre schielt seine Musik mehr in die Richtung von Ennio Morricone oder verliert sich im surrenden Rauschen, das eine gewisse Rastlosigkeit für den Kopfgeldjäger mitbringt, der von seiner Vergangenheit verfolgt wird und einen Platz in dieser riesigen Galaxis sucht.
Am einsamsten ist der Mandalorianer, wenn selbst die Musik schweigt – und das tut sie gerade für Star Wars-Verhältnisse ziemlich oft. Verstärkt wird dadurch die düstere Grundstimmung der Serie. Wenngleich humorvolle Passagen ebenso ihren Weg in The Mandalorian finden, besinnt sich der Auftakt auf bedrohliche Geräusche und lässt den ungewissen Zustand erahnen, in dem sich die Galaxis nach dem Niedergang des Imperiums befindet. Fünf Jahre sind seit Return of the Jedi vergangen. Die verheerenden Folgen dieses Umbruchs werden besonders dann deutlich, wenn Werner Herzog, umringt von einer Gruppe heruntergekommener Stormtrooper, mit bedrohlicher Stimme vom alles verschlingenden Chaos berichtet.
Die Galaxis steht an diesem Punkt vor einem Scherbenhaufen, was auch im Werdegang des Mandalorianers angedeutet wird: Tod und Verderben prägen die Blicke in die Vergangenheit. Sein einst so strahlendes wie stolzes Volk hat sich nun im Untergrund zusammengerafft und versucht, seine Identität wiederherzustellen. The Mandalorian eröffnet hier gleich mehrere spannende Wege, Star Wars nicht nur um eine weitere Western-Variation zu erweitern, sondern ebenfalls die politische Dimension der Saga zu ergründen. Hier bewegen wir uns jenseits von Gut und Böse, sondern direkt in den Gefilden des Verwegenen und Martialischen, inklusive unerwarteter Anleihen an Conan the Barbarian.
The Mandalorian © Disney+
Gib den ersten Kommentar ab