Ein dumpfes Stampfen erschüttert die vierte Episode von The Mandalorian gleich in den ersten Minuten. War da eben noch ein verborgenes Paradies zu entdecken, übertünchen plötzlich kühle Nebelschwaden die idyllische Landschaft, ehe eine Gruppe feiner Klatooinianer ein friedliches Dorf überfällt. Schüsse, Schreie und Zerstörung: Entgegen dem Titel der Episode, Sanctuary, existiert hier vorerst kein Zufluchtsort. Stattdessen kündet die rauchende Ruine von den Unruhen, die nach dem Zusammenbruch des Imperiums in der Galaxis herrschen, und der Ungewissheit ob des Monsters, das auf dem bewaldeten Planeten Sorgan seine gewaltigen Spuren hinterlässt.
Der Mandalorianer (Pedro Pascal), der nichts von all dem Trubel weiß, sucht sich den Planeten derweil als temporären Rückzugsort aus. Nach den drastischen Entwicklungen des vorherigen Kapitels befindet er sich zusammen mit Baby Yoda auf der Flucht. Aufgrund der geringen Bevölkerungsdichte scheint der abgelegene Sorgan wie gerufen, schlussendlich erwarten Mando aber mehr Begegnungen, als ihm lieb sind, allen voran Cara Dune (Gina Carano), die sich als ehemaliger Shock Trooper der Rebellen und willkommene Erweiterung des Ensembles offenbart. Was folgt, ist ein kurzes Gerangel, basierend auf einem Missverständnis ausgehend von Äußerlichkeiten. Im Herzen sind aber beide aufrechte Krieger.
Ohne allzu viel Zeit zu verschwenden, schickt Jon Favreau seine zwei Krieger auch gleich auf eine Mission: Das eingangs eingeführte Dorf muss verteidigt werden – und ja, damit begibt sich The Mandalorian direkt ins Seven Samurai-Gebiet. Bereits George Lucas ließ sich reichlich von Akira Kurosawas Filmen inspirieren, als er 1977 den Krieg der Sterne erstmals in die Kinos brachte. Jon Favreau tut es ihm gleich und orientiert sich an einer der bekanntesten Geschichten des japanischen Meisterregisseurs, nämlich jener um die sieben unerschrockenen Samurai, die ein kleines Bauerndorf gegen eine Horde skrupelloser Plünderer verteidigten.
Dass diese Geschichte perfekt im Western-Setting funktioniert, hat nicht zuletzt die populärste Adaption des Stoffs bewiesen, namentlich The Magnificent Seven. Da sich The Mandalorian bereits Elemente auf beiden, durchaus verwandten Genres zu Eigen gemacht hat, fruchtet auch die Übernahme dieses vertrauten Handlungsgerüsts, selbst wenn damit einhergehend einige dramaturgische Konventionen nicht zu umschiffen sind. Spannend und einnehmend ist die vierte Episode dennoch – und das liegt vor allem an Bryce Dallas Howards Inszenierung, die der Verteidigung eines kleines Dorfes im Star Wars-Universum durchaus einige spannende Facetten abgewinnen kann.
Am verblüffendsten gestaltet sich die Hinführung zu jenem im Prolog angedeuteten Monster: Einem AT-ST, der in den Wäldern schlummert. Während der Mandalorianer und Cara Dune die Dorfbewohner auf den bevorstehenden Kampf vorbereiten, finden sich Spuren, die auf etwas Riesiges, etwas Unheimliches hindeuten. Der Wald ist gezeichnet von einer mächtigen Kreatur, die schließlich auch erwacht – in der Nacht mit rot glühenden Augen. Schnaubend wie ächzend bewegt sich das Ungeheuer aus dem Schatten und sorgt für eines der bisher denkwürdigsten Bilder der gesamten Serie. Bryce Dallas Howard gelingt hier ein ähnlich geschickter Schachzug wie Rick Famuyiwa im zweiten Kapitel.
Entpuppte sich da der sonst so mühsam wie schleppend durch die Wüste bewegende Sandcrawler als unaufhaltsamer Abenteuerspielplatz, definiert Bryce Dallas Howard den AT-ST neu, der im Angesicht des deutlich eindrücklicheren AT-AT oft vernachlässigt wird. Die Kampf- und Transportmaschine des Imperiums zehrt zwar von ihrem großen Auftritt in Return of the Jedi, doch bereits da konnte sie von einer Herde Ewoks bezwungen werden. The Mandalorian hingegen entdeckt eine neue, ungeahnte Bedrohlichkeit in diesem überaus vertrauten, geradezu verbrauchten Motiv eines übermächtigen Gegners.
Mit seinen lodernden Augen wirkt der AT-ST wie ein Geist der Vergangenheit, der sich nach dem entscheidenden Kampf zwischen Rebellen-Allianz und Imperium aus den Trümmern des Krieges erhebt und orientierungslos Unheil stiftet. Niemand weiß, wer ihn steuert. Die Kamera verwehrt uns einen Blick ins Innere der Maschine, genauso wie das wahre Gesicht des Mandalorianers nach wie vor ein Geheimnis bleibt. Würde er seinen Helm ablegen, kann er ihn nie wieder aufsetzen, verrät der wortkarge Kopfgeldjäger gegenüber der verwitweten Omera (Julia Jones). Auch er wurde in Trümmern geboren. Sein Gesicht würde nur von den Schmerzen erzählen.
The Mandalorian © Disney+
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