Bereits das jüngste Kapitel von The Mandalorian geizte nicht mit abgründigen Momenten, die das raue Kopfgeldjäger-Milieu am Rande der Galaxis zum Leben erweckte. Auch The Prisoner, die fünfte Folge der ersten Staffel, ist reich an zwielichtigen Zeitgenossen. Die zweite von Rick Famuyiwa inszenierte Episode bietet einen ganzen Haufen eigenwilliger Figuren, die im Sternenkrieg ihr Unwesen treiben und dabei definitiv nichts Gutes im Schilde führen. Hier kommt ein großartiges Gefühl für die dreckige, verdorbene Unterwelt des Star Wars-Universums auf. Ganz nebenbei entwirft The Mandalorian ebenso seine eigene kleine Version von Alien: Resurrection.
Immer noch auf der Flucht verschlägt es den Mandalorianer (Pedro Pascal) zu einem Freund aus alten Tagen, Ranzar Malk (Mark Boone Junior), der gerade dabei ist, eine Crew für eine knifflige Mission zusammenzustellen. Vier Mitglieder hat er bereits gefunden – der Mando wäre die Nummer fünf, doch viel wichtiger noch ist sein Schiff, die Razor Crest. Diese taucht auf keinem Radar auf und kommt daher wie gerufen, um unerkannt an einem Gefängnisschiff der Neuen Republik anzudocken und somit einen der Gefangenen zu befreien. Der Auftrag ist denkbar einfach und trotzdem läuft nichts nach Plan. Denn in dieser Runde kann niemandem vertraut werden.
Der ehemalige imperiale Scharfschütze Mayfeld (Bill Burr) ist der Erste, der gegenüber dem Mandalorianer die Miene verzieht. Seine Abneigung könnte nicht offensichtlicher sein, am liebsten würde er ihn sofort in einem Müllschacht versenken. Da wäre sicherlich auch der Devaronianer Burg (Clancy Brown) dabei, der sich sein teuflisches Lachen nur ungern verkneift und lieber Taten statt Worte sprechen lässt. Bei dem Droiden Zero (Richard Ayoade) hingegen geht die Skepsis in erster Linie vom Mando selbst aus – an irgendeinen Punkt muss die Serie seine Abneigung gegen die künstlichen Geschöpfe noch einmal ausdrücklich formulieren. Wer hat ihm nur so wehgetan?
Selbst wenn wir dieses Mal keinen direkten Einblick in seine Vergangenheit erhalten, der weitere Geheimnisse aufschlüsselt, so stiehlt sich mit Xi’an (Natalia Tena) zumindest eine Figur ins Bild, mit der er sich eine gemeinsame Vergangenheit teilt. Wie ein Harley Quinn-Verschnitt wirkt die unberechenbare Twi’lek – und tatsächlich: Mit dem ähnlich impulsiven Qin (Ismael Cruz Cordova) taucht später sogar ein passendes Joker-Pendant auf, um die Eskalation der angespannten Situation endgültig zu provozieren. Er ist der titelgebende Gefangene der Episode und kann es gar nicht abwarten, endlich den Platz des Mandalorianers in der Gruppe schräger Charaktere einzunehmen.
Ein Schurke folgt hier auf den nächsten – von einem Code, der sonst in Kopfgeldjägerkreisen so hoch geschätzt wird, kann hier keine Rede mehr sein. Hier betrügt jeder den anderen im nächstbesten Augenblick – und diese Dynamik bringt sehr viel Unruhe und Spannung in die Episode, besonders dann, wenn sich das Gefängnisschiff in ein tödliches Labyrinth verwandelt. Hier lässt Rick Famuyiwa sein inszenatorisches Können spielen und weiß, jeden Winkel der engen Gänge zu nutzen, die anfangs noch in einem geradezu klinischem Weiß erstrahlen, ehe sie in ein ungewisses, bedrohliches Rot getaucht werden, das den Stressfaktor steigert.
Spätestens an diesem Punkt kommt Alien: Resurrection ins Spiel: Die räumliche Eingrenzung sowie das ungleiche Team bringen viele Vibes von Jean-Pierre Jeunets unangepasstem Science-Fiction-Horrorfilm mit, der innerhalb der Alien-Anthologie am ehesten aus der Reihe fällt. Auch The Prisoner ist bisher die Episode, die sich am wenigsten mit dem Rest der ersten Staffel von The Mandalorian vergleichen lässt. Die Western- und Samurai-Elemente sind deutlich weniger präsent, was vielleicht auch daran liegt, dass dieses Mal nicht Jon Favreau oder Dave Filoni federführend waren, sondern Christopher Yost und Regisseur Rick Famuyiwa.
The Prisoner entfaltet sich somit als in sich abgeschlossenes Abenteuer an einem ganz spezifischen Schauplatz, der abwechslungsreiche Eigenheiten mit sich bringt und reich an Star Wars-Referenzen ist. Allzu tief dringt die Episode zwar nicht zu den Kriminellen vor, um ihre ruchlose, sicherlich auch zerbrochene Seele zu erkunden. Dafür genießt es Rick Famuyiwa sichtlich, den stoischen Mandalorianer gegen eine fiese Truppe gewissenloser Kopfgeldjäger antreten zu lassen. Ein herrliches wie nervenaufreibendes Vergnügen, bei dem auch Baby Yoda seinen fairen Anteil an Screentime erhält, wenn zum Beispiel eine ausführliche Runde Verstecken an Bord der Razor Crest spielt.
The Mandalorian © Disney+
Gib den ersten Kommentar ab