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The Matrix Resurrections – Kritik

Grüne Schriftzeichen fallen in die Tiefe, während sich die Tonspur dehnt und das Portal in eine andere Welt öffnet. Hinter dem digitalen Regen verbergen sich unheimliche Räume. Bewaffnete Gestalten bahnen sich ihren Weg durch die Dunkelheit, ehe sich die ikonische Eröffnungsszene von The Matrix wiederholt: Trinity prügelt sich durch Programme in Polizeiuniform und flüchtet über die Dächer. Ein Déjà-vu. Ein Echo aus der Vergangenheit. Alles wirkt vertraut, geradezu vorhersehbar. Doch dann ertönt eine unbekannte Stimme: „Maybe this isn’t the story we think it is.“

Mit The Matrix Resurrections kehrt Lana Wachowski zu jener wegweisenden Filmreihe zurück, die sie gemeinsam mit ihrer Schwester, Lilly Wachowski, Ende der 1990er Jahre geschaffen hat. 18 Jahre sind seit dem zweiteiligen Abschluss der Trilogie vergangen. Ein Abschluss, der mit einer für Hollywood-Verhältnisse unerwarteten Endlichkeit aufwartete: dem Tod seiner beiden Hauptfiguren. Sowohl der von Keanu Reeves verkörperte Neo als auch Carrie-Anne Moss‘ Trinity verabschiedeten sich beim alles entscheidenden Kampf zwischen Menschen und Maschinen ins Jenseits.

Trotzdem kehren sie nun zurück. Die Auferstehung ist bereits im Titel der verspäteten Fortsetzung verankert. Ganz so einfach macht es sich Lana Wachowski bei ihrem Wiedereintritt in das Sci-Fi-Universum aber nicht: Mit ihren Sense8-Mitstreitern David Mitchell und Aleksandar Hemon hat sie ein nachdenkliches, neugieriges und emotional komplexes Drehbuch geschrieben, das einen Schritt zurücktritt und sich Matrix als Franchise anschaut. Plötzlich befinden wir uns nicht mehr in einer klassischen Fortsetzung, sondern einem Film, der neben seinen Vorgängern steht und sie von außen beobachtet.

In der behaupteten Wirklichkeit von The Matrix Resurrections existieren die Geschichten der ersten drei Filme als erfolgreiche Videospielreihe, die um einen vierten Teil erweitert werden soll. Hinter dem Vorhaben steckt allerdings kein kreativer Ehrgeiz. Antrieb der Wiederbelebung ist das kapitalistische Streben eines Unternehmens, das zufällig auf den Namen Warner Bros. hört. Innerhalb kürzester Zeit wechselt The Matrix Resurrections auf die Metaebene und reflektiert im Schnelldurchlauf unbeschönigt die Entwicklung der Blockbuster-Landschaft seit dem Ende der ursprünglichen Trilogie.

Den Widerspruch, dass der Film selbst ein Produkt dieser Entwicklung ist, kann Lana Wachowski nicht vollständig auflösen. Auch hier wird eine wertvolle Marke von einem großen Studio wiederbelebt. Dass kein kreativer Ehrgeiz hinter The Matrix Resurrections steckt, lässt sich jedoch zu keiner Sekunde behaupten. Statt der gemütlichen Nostalgiedusche hadert der Film mit seiner eigenen Existenz und schickt die Figuren auf eine schwindelerregende Reise durch ein verwinkeltes Spiegelkabinett. Bildfetzen aus den vorherigen Filmen blitzen auf, während wir ein weiteres Erwachen von Thomas Anderson erleben.

Nach dem verspielten Blick von außen dringt The Matrix Resurrections zum Herz der Reihe vor und tobt sich hemmungslos im Quellcode aus. Lana Wachowski zitiert prägende Momente mit vertauschten Variablen und beginnt, die Geschichte für sich neu zu definieren. Wo sich die meisten Legacyquels – Filme, die das Vermächtnis eines populären Franchise weitertragen – mutlos und kalkuliert ihren Vorbildern annähern, schreckt The Matrix Resurrections nicht davor zurück, die Erwartungen auf den Kopf zu stellen. Bekannte Elemente werden wild durcheinandergewirbelt, mitunter sogar aussortiert.

In The Matrix Resurrections sehen wir, wie eine Filmemacherin aus einer völlig anderen Schaffensphase zu dem Werk zurückkehrt, das ihre Karriere begründet hat. Sie lässt sich jedoch nicht überrumpeln von dem Popkultur-Gigant, der The Matrix im Lauf der Zeit geworden ist. Stattdessen erobert Lana Wachowski die Matrix mit einer geupdateten Vision zurück: Mehr denn je liegt der Fokus auf der wunderschönen wie tragischen Liebesgeschichte zwischen Neo und Trinity, ohne die das virtuose Spiel mit verschiedenen Genres, die atemberaubende Action und die bahnbrechenden Effekte nicht existieren würden.

Obwohl der ungewohnt leichte Tonfall im ersten Akt irritiert, bewegt sich der Film auf ein packendes Finale zu, das inmitten einer furiosen Verfolgungsjagd vom Befreiungsschlag zweier Liebenden erzählt. Neo und Trinity rasen durch die nächtlichen Straßen von San Francisco, während die Stadt in einem apokalyptischen Nebel versinkt. Die coolen Posen und Bewegungen sind nach wie vor vorhanden, doch sie stehen nicht mehr im Vordergrund. Lana Wachowski interessiert sich vielmehr für die Menschlichkeit, die den künstlichen Ort mit allen seinen schlafwandelnden Menschen ins Chaos stürzt.

Die Angst vor dem Erwachen legt sich wie ein großer Schatten über dem Film. Nach der gigantischen Endschlacht in The Matrix Revolutions herrscht zwar Frieden, doch die Matrix ist zu einem noch verlockenderen Ort geworden, was die Entscheidung zwischen der roten und der blauen Pille erschwert. Obwohl wir die Geschichte in ihren Grundzügen kennen, fordert uns The Matrix Resurrections auf, das Gegebene zu überdenken, um herauszufinden, wie groß das Labyrinth wirklich ist. Genau in diesem überprüfenden Modus bewegt sich Lana Wachowski durch das Matrix-Franchise und lotet seine Grenzen aus.

The Matrix Resurrections fühlt sich in vielen Passagen unheimlich vertraut an. Der eingangs zitierte Satz hallt aber durch den gesamten Film. Er stammt von Bugs (Jessica Henwick), die innerhalb weniger Sekunden das Original im neuen Code ausmacht. Trotzdem gerät sie ins Stocken, als sie merkt, dass einzelne Frames nicht stimmen. Aus dem Déjà-vu wird ein Grübeln und die Unterschiede kommen zum Vorschein. Langsam verschwindet die raue Textur und strahlende Farben übernehmen den fiebrigen Look der Vorgänger. Neo und Trinity sind nicht länger von Finsternis, sondern von warmem Licht umgeben.

Beitragsbild: The Matrix Resurrections © Warner Bros.