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The Prom – Kritik

Blitzlichter, Menschenmassen und eine schwindelerregende Kamerabewegung: The Prom beginnt mit rauschhaften Eindrücken einer Musical-Premiere am Broadway. Die zweifache Tony-Award-Gewinnerin Dee Dee Allen (Meryl Streep) stellt ihr neustes Werk vor, in dem sie an der Seite ihres nicht weniger narzisstischen Kollegen Barry Glickman (James Corden) zu sehen ist. Als Eleanor Roosevelt will sie die Herzen der Zuschauer*innen erobern, doch von der Kritik wird ihre Darbietung in der Luft zerrissen. Jetzt muss dringend ein Imagewandel her, denn eigentlich sollte der dritte Tony längst im Regal stehen.

Fündig wird Dee Dee im konservativen Indiana, wo einer lesbischen Teenagerin die Teilnahme am Abschlussball verwehrt wird. Bevor die Verantwortlichen zwei verliebte Mädchen auf der Tanzfläche sehen, würde sie die Veranstaltung lieber komplett absagen. Gemeinsam mit Barry und den ebenfalls angeschlagenen Broadway-Stars Angie Dickinson (Nicole Kidman) und Trent Oliver (Andrew Rannells) macht sich Dee Dee auf den Weg, um sich für einen inklusiven Abschlussball einzusetzen, der – natürlich ganz uneigennützig – im Idealfall ihre Karriere mit positiven Schlagzeilen befeuert.

Im Mittelpunkt von The Prom befindet sich somit ein unangenehmes Kalkül und eine tickende Zeitbombe: Wie lange können Dee Dee und Co. ihre wahren Absichten verbergen, während sie Selbstlosigkeit und Toleranz predigen? Und vor allem: Wie viel zusätzlichen Schmerz verursacht ihr fehlgeleitetes Handeln in den gebrochenen Herzen von Emma (Jo Ellen Pellman) und Alyssa (Ariana DeBose), die ihre Zuneigung in der Öffentlichkeit verstecken müssen? Weit abseits des überschwänglichen Glitzers pulsiert in Ryan Murphys The Prom eine bitterböse Satire im Scheinwerferlicht.

Als Grundlage dient das gleichnamige Musical aus dem Jahr 2016, das wiederum von tatsächlichen Begebenheiten inspiriert wurde, die sich 2010 in Fulton, Mississippi ereigneten. Murphy hat den Film im Rahmen seines gigantischen Netflix-Deals umgesetzt, aus dem dieses Jahr bereits Serien wie Hollywood und Ratched sowie die Verfilmung des kontroversen, aber auch revolutionären Theaterstücks The Boys in the Band hervorgegangen sind. Ein bemerkenswerter Output, doch er wird stets von der gleichen Schwäche begleitet: Murphy rast zu schnell durch seine Geschichten.

An Ambition ist sein Schaffen kaum zu übertreffen. Meistens überwiegt aber der Eindruck, als geht es ihm nur darum, so viel wie möglich zu produzieren, anstelle an einem Werk zu feilen und bleibenden Eindruck zu hinterlassen. The Prom protzt mit großen Namen, knalligen Bildern und einer Energie, die durchaus ansteckend ist. Genauso schnell, wie einem beim Schauen des Films die Euphorie packt, ist sie allerdings wieder verflogen. Nicht einmal die ausgestellten Oberflächen vermögen in ihren Bann zu sehen, da Ryan Murphy in seiner Eile oft gar nicht bemerkt, wie verführerisch diese wirklich sind.

In The Prom ist alles einfach nur da. Selbst der aufwühlendste Konflikt verliert mit zunehmender Laufzeit an Bedeutung, was die unglücklichen Entscheidungen dieser Verfilmung noch mehr zum Vorschein bringt. Dazu gehört auch die Vernachlässigung des versammelten Talents, angefangen bei den sonst so einnehmenden Bildern von Kameramann Matthew Libatique, die sich in eine merkwürdige Gleichgültigkeit auflösen, bis hin zu Nicole Kidman und Andrew Rannells, die abseits ihrer großen Nummern am Rand des Geschehens um Aufmerksamkeit kämpfen.

Lediglich Meryl Streep erhält den Raum, um nach Into the Woods und dem fantastischen Mammia Mia!-Doppelschlag in einer weiteren Musical-Rolle aufzutrumpfen. Die aus Hamilton bekannte Ariana DeBose beweist derweil eindrucksvoll, dass sie mehr als bereit ist, um in Steven Spielbergs West Side Story als Anita durch die Straßen von New York zu tanzen. Darüber hinwegtäuschen, dass James Cordens Verkörperung einer schwulen Broadway-Diva ein unerträgliches Klischee nach dem anderen mitnimmt, kann allerdings kein Mitglied des Ensembles, das sich weiterhin aus Kerry Washington und Keegan-Michael Key zusammensetzt.

The Prom ist eine vertane Chance, gerade in einer Zeit, in der die Türen und Tore sämtlicher Broadway-Theater geschlossen sind. Ryan Murphy gelingt es nicht, die Magie einer Musical-Erfahrung filmisch zu übersetzen. Sein Film wühlt sich zwar durch eine beachtliche Riege an Songs und Tanzeinlagen, ein Gefühl für die Bewegung und emotionale Kraft dahinter kommt jedoch selten zustande. The Prom funktioniert weder als berührende Geschichte über Toleranz und Inklusion noch schöpft der Film das satirische Potential seiner Prämisse aus, das deutlich mehr Zwischentöne ermöglicht hätte.

Beitragsbild: The Prom © Netflix