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The Sea of Trees – Kritik

Eine Zeit lang schein es fast so, als wäre Matthew McConaughey unbesiegbar. Nach der beeindruckenden Kurskorrektur 2011 mit The Lincoln Lawyer und Killer Joe traf der US-amerikanische Schauspieler eine perfekte Rollenwahl nach der anderen und verblüffte insbesondere mit seiner bis dato ungeahnten Vielseitigkeit. Egal, ob Christopher Nolan, Jeff Nichols, Jean-Marc Vallée oder Cary Fukunaga: Stets in Zusammenarbeit mit einem eigensinnigen Regisseur lieferte Matthew McConaughey engagierte wie einnehmende Darbietungen ab. Als sich dazwischen The Sea of Trees von Gus Van Sant auf den Filmfestspielen von Cannes ankündigte, war die nächste Oscar-Performance schon so gut wie gesetzt. Kaum feierte das Drama an der Côte d’Azur seine Premiere, hagelte es jedoch in hauptsächlich Verrisse, die das Werk unbarmherzig in Nirvana versenkten, sodass es knapp zwei Jahre gedauert hat, bis es hierzulande als Direct-to-DVD-Titel veröffentlicht wurde.

Dabei ist The Sea of Trees alles andere außer die allseits proklamierte Katastrophe, wenn auch noch kein guter Film. In erster Linie handelt es sich – wie bei sämtlichen Filmen von Gus Van Sant – um eine ambitionierte Geschichte, die sich mit den zerbrechlichen Seiten ihrer Protagonisten beschäftigt, in diesem Fall der Mathematiker Arthur Brennan (Matthew McConaughey). Eigentlich sollte er ein Vorbild für seiner Schüler und Studenten sein und sie auf den Ernst des Lebens vorbereiten. Schlussendlich hat Arthur aber selbst nur eines im Sinn: sich selbst das Leben zu nehmen. Wie betäubt lässt er alles stehen und liegen und reist nach Japan. Im Aokigahara-Wald, dem sogenannten Selbstmörder-Wald, soll es passieren. Die Option eines Rückflugs hat er gar nicht mehr in Betracht gezogen. Als Arthur beim Einchecken nach seinem Gepäck gefragt wird, schüttelt er lediglich teilnahmslos den Kopf. Jetzt gibt es keinen Ausweg mehr, obgleich sich Arthur kurze Zeit später nach nichts dringender sehnt, als dem sicheren Tod zu entkommen.

Hilflos verloren zwischen Ästen, Sträuchern und Bäumen irrt er durch die Gegend, als er die unerwartete Bekanntschaft mit dem Geschäftsmann Takumi Nakamura (Ken Watanabe), der sich entgegen seiner ursprünglichen Absichten nicht mehr umbringen will. Arthur versucht, dem Verlorenen ihm zu helfen, muss allerdings schnell feststellen, dass er dazu nicht mehr in der Lage ist. Fortan liegt eine gleichermaßen tragische wie unangenehme Suspense in der Luft. Gus Van Sant erklärt sein aufrichtiges Drama zu einem merkwürdigen Survival-Thriller, der mittels Rückblenden Einblick in Arthurs Vergangenheit sowie die Beziehung zu seiner Frau Joan (Naomi Watts) offeriert. Nach und nach enthüllt das Drehbuch die verheerenden Dinge, die das Ehepaar erleben musste. Autor Chris Sparling ist dabei allerdings nicht in der Lage, seiner Erzählung den Tiefgang zu verleihen, den sie verdient. Die meiste Zeit mäandert The Sea of Trees ähnlich verloren wie die Figuren durch die Gegend und fällt dabei immer wieder auf unausgegorene Ideen zurück.

Diese Ideen setzen überwiegend aus rührseligen Klischees zusammen, die nicht einmal auf dem Papier erträglich sind, geschweige denn in ihrer finalen Ausarbeitung. Gus Van Sant, eigentlich ein aufmerksamer Beobachter, wenn es darum geht, ins Innere der Leidtragenden zu erforschen, vermag es allerdings an keinem Punkt, dem Gezeigten eine aufrichtige Facette abzugewinnen. So faszinierend der Wald mit all seinen düsteren Abgründen im übertragenen wie sprichwörtlichen Sinne in Szene gesetzt sein mag, so unbefriedigend wirkt die Auseinandersetzung mit den angesprochenen Themen – angefangen beim zentralen Suizid über die sich später herauskristallisierende Trauerbewältigung bis hin zum rätselhaften Ende. Was bleibt, ist eine ärgerliche und überflüssige Enttäuschung, vor allem in Anbetracht der Kreativen vor und hinter der Kamera. Die geballten Buhrufe hat der Film trotzdem nicht verdient. Im Gedächtnis der Filmwelt wird diese vertane Chance aber ebenfalls nicht lange währen.

The Sea of Trees © Ascot Elite