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The Souvenir Part II – Kritik

Die Silhouette einer jungen Frau streift durch ein Filmfest. Scheinwerfer stehen verloren in der Gegend herum, während im Hintergrund die Kulisse eines fremden Spielfilms zu erkennen ist. Ein verlassener Ort der Einsamkeit, durch den Neugier und Nervosität strömen. Nichts ist in den labyrinthischen Räumen aus unfertigen Requisiten und lose verteiltem Equipment echt. Und trotzdem kann hier alles entstehen, sobald die Lichter ausgerichtet sind, die Kamera läuft und die Schauspielenden ihre Position eingenommen haben. Vorerst schleicht Julie (Honor Swinton Byrne) aber allein durchs Set.

Es ist eine der atemberaubendsten Momente in The Souvenir Part II, der Fortsetzung von Joanna Hoggs semi-biografischen Drama The Souvenir, das vor zwei Jahren in Sundance seine Premiere feierte. Hogg, eine der spannendsten britischen Filmemacherinnen, erforscht darin ihre Erfahrungen, die sie Anfang der 1980er Jahre als Filmstudentin gesammelt hat. Zu Beginn des zweiten Teils steht Julie kurz vor den Dreharbeiten ihres Abschlussfilms, in dem sie die toxische Beziehung zu ihrem Freund Anthony (Tom Burke) verarbeitet, der an einer Überdosis Heroin gestorben ist.

Anthonys Geist legt sich wie ein großer Schatten über den Film, der – ähnlich wie der Vorgänger – auf den ersten Blick sehr distanziert wirkt. Hogg verfolgt weiterhin eine dokumentarische Ästhetik und beobachtet ganz genau, wie sich ihre Figuren im Raum bewegen. The Souvenir Part II schaut jedoch nicht nur von außen auf einen kreativen Entstehungsprozess, sondern wird selbst Teil von diesem. Wo der Film anfangs unterkühlt und streng wirkt, vermischt er nachfolgend mehr und mehr die zur Gestaltung zum Einsatz kommenden Formen, angefangen beim Filmmaterial bis hin zum Bildformat.

Körnige 16- und 35-mm-Aufnahmen gehen in digitale Bilder über und umgekehrt. Mal tauchen wir in einen Film im Film ein, der sich im Academy-Format präsentiert. Mal nimmt das Gezeigte die gesamte Breite der Leinwand ein, während wir zwischen verschiedenen filmischen Wirklichkeiten hin- und herspringen, was dem Film einen faszinierenden Rhythmus verleiht. Wo Hogg ihre Protagonistin eben noch mit konzentrierten, ruhigen und statischen Kameraeinstellungen filmte, entfesselt sie plötzlich lässige Kompositionen aus rauschhaften Bildern und treibender Musik, ehe ein abrupter Schnitt folgt.

The Souvenir Part II gleitet immer wieder in Momente über, in denen der Film unaufhaltsam wirkt, bevor Julie komplett aus der Bahn geworfen wird und alles hinterfragt, was sie gerade tut. Der Grad an Selbstreflexion ist auf mehreren Ebenen bemerkenswert: Es gibt nur wenige Filme, die den künstlerischen Schaffensprozess mit so viel Einblick in das Innenleben der Schöpfenden abbilden. The Souvenir Part II interessiert sich vor allem dafür, wie Ideen und Gefühle, die im Verborgenen entstehen und reifen, kommuniziert werden können. Es ist unheimlich schwer, sie zu transportieren.

Da steht Julie wieder allein zwischen den groben Entwürfen einer Geschichte, die ihr Leben bestimmt, aber für die meisten Menschen eine kryptische Aneinanderreihung von Worten bleibt. Auf der Suche nach ihrer Stimme und einer Sprache, mit der sie sich ausdrücken kann, trifft sie auf Unverständnis. Klare Ansagen werden gefordert, die sich mit der Ungewissheit der Suche schneiden. Energisch prasseln Forderungen auf Julie ein, während die Kamera tief in Swinton Byrnes Gesicht blickt, deren nuanciertes Spiel einmal mehr verblüfft. Und dann geht das Niederschmetternde ins Inspirierende über.

Beitragsbild: The Souvenir Part II © A24/Picturehouse