The Trial of the Chicago 7 ist kein trockenes Gerichtsdrama, kein langwieriger Historienfilm. Aaron Sorkin rast in seiner zweiten Regiearbeit durch die Geschichte, als würde er sich im Rausch eines Rockkonzerts befinden – und hat sich dafür auch gleich den richtigen Komponisten an Bord geholt. Für Daniel Pemberton sind elektrifizierende Filmmusiken kein Problem. Mit Sorkins Tempo als Drehbuchautor kann er mühelos mithalten. Egal ob Steve Jobs oder Molly’s Game: Die Worte, die Sorkin seinen Figuren als Drehbuchautor in den Mund legt, werden von Pemperton mit müheloser Lässigkeit abgefedert.
Keine zehn Minuten sind vergangenen, da hat The Trial of the Chicago 7 das Publikum fest im Griff. Furios wird das beachtliche Ensemble eingeführt, genauso schnell wird aber auch klar: Das hier ist kein Rockkonzert. Die Geschichte der Chicago Seven steht als aufwühlendes Ereignis in den amerikanischen Geschichtsbüchern und fordert mehr Aufmerksamkeit als ein zügiges Kreuzverhör zulässt, das mit geschliffenen Dialogen von extrem gut aufgelegten Darstellern vorgetragen wird. Oft entpuppt sich der notwendige Kontext aber als deutlich unbequemer, als ihn der coole Tonfall des Films zulassen will.
Aaron Sorkin hat sich definitiv keine Fingerübung ausgesucht, im Gegenteil: In The Trial of the Chicago 7 kann man dem Filmemacher förmlich dabei zusehen, wie er mit den einzelnen Elementen der Komplexität des Materials jongliert und versucht, gleich mehreren Ansprüchen gerecht zu werden. Da wäre etwa die Aufarbeitung eines historischen Ereignisses und die Annäherung an entscheidende Persönlichkeiten. Dazu kommt ein Film, der sich in der Vergangenheit bewegt, sich aber zu jeder Sekunde über die Allgemeingültigkeit seiner Debatten im Klaren ist und das auch zu betonen weiß.
Und dann ist da noch der Unterhaltungsfilm, der – durchaus etwas überraschend – in The Trial of the Chicago 7 steckt. Unter einer anderen Regie wäre diese Geschichte womöglich von prestigeträchtigen Gesten erstickt worden. Dass Aaron Sorkin diesem angestaubten Hollywood-Konzept ein mitunter humorvolles Dialogfeuerwerk entgegensetzt, ist durchaus erfrischend, obwohl nicht immer ein befriedigendes Ergebnis zutage gefördert wird. The Trial of the Chicago 7 ist so bemüht, alle Ereignisse möglichst flott und elegant aus dem Gerichtssaal heraus zu verhandeln, dass wichtige Stationen zu schnell passiert werden.
Dabei schafft sich Sorkin anfangs eine hervorragende Grundlage, die seine Figuren in nachvollziehbare Positionen rückt, auf denen das Drama nachfolgend mit einnehmenden Enthüllungen aufbauen kann. Sieben (zuerst acht) Männer sind der Verschwörung angeklagt. Angeblich haben sie eine friedliche Demonstration, die anlässlich eines Parteitags der Demokraten 1968 in Chicago stattgefunden hat, gewaltsam eskalieren lassen. Das Drehbuch vermag durchaus zwischen den verschiedenen Lagern und Stimmen zu differenzieren, ist am meisten dann aber doch an Mechaniken interessiert.
The Trial of the Chicago 7 trägt damit einen spannenden Widerspruch in sich, denn schon ziemlich früh wird mahnend die Frage in den Raum gestellt, um wen es hier eigentlich geht. Auch wenn die Fronten aus der Distanz eindeutig geklärt sind, ergibt sich beim genaueren Hinsehen durchaus die Möglichkeit, moralischen Konflikte zu folgen, die eine Hürde mehr mitnehmen. Am Ende rücken die Menschen aber in den Hintergrund, denn Aaron Sorkins heimlicher Hauptdarsteller bleibt die Logistik von Worten. Das ist durchaus mitreißend, verwehrt dem Film allerdings die Verwandlung in ein wahrhaft großes Werk.
Oft schrammt The Trial of the Chicago 7 an den aufwühlendsten Momenten vorbei. Andere werden wiederum viel zu ausgiebig zelebriert, geradezu ausgestellt. Doch dann entstehen ebenso Momente, in denen sich Aaron Sorkins präzise Vorbereitungen auszahlen und der Film uns Zuschauer für mehrere Minuten lang den Atem anhalten lässt. Dann ist es nicht nur die offensichtliche Ungerechtigkeit dieses Prozesses, die Emotionen auslöst, sondern das Zusammenspiel von vielen verschiedenen Elementen, die wir die Zahnräder in einem feinen Uhrwerk ineinandergreifen, womit Sorkin wieder ganz bei der Mechanik ist.
The Trial of the Chicago 7 © Netflix
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