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The Yards – Kritik

Wann ist sie zerbrochen, die Welt in The Yards? War sie schon immer so erschöpft? Wenn Leo Handler (Mark Wahlberg) zu Beginn von James Grays zweiter Regiearbeit mit der U-Bahn aus einem langen Tunnel fährt, offenbart sich ihm eine graue Welt voller müder Gesichter. Obwohl er frisch aus dem Gefängnis entlassen wurde, spiegelt sich in seinen Augen keine Fröhlichkeit, sondern der Schatten der Ungewissheit. Ein produktiver Teil der Gesellschaft – das will Leo wieder werden, nachdem er mehrere Jahre hinter Gitter verbracht hat. Namen wollte er keine nennen. Deswegen musste er die Strafe allein durchstehen, was ihm später auf einer Überraschungsparty gegenüber Willie Gutierrez (Joaquin Phoenix), dem Freund seiner Cousine Erica (Charlize Theron), wertvollen Respekt einbringt. Denn Willie kennt das Tor in die Welt, die da in Trümmern liegt, selbst wenn es sich zu Beginn des Films niemand eingestehen will.

Entgegen der trüben Blicke beginnt The Yards mit hoffnungsvollen Worten. Die schlimmen Tage sind endlich vorbei, verkündet Leos Mutter Val (Ellen Burstyn) mit dem Wissen, dass bei Ericas Stiefvater Frank (James Caan) ein Job auf Leo wartet. Frank ist der Kopf eines Eisenbahnwagen-Reparaturunternehmens für die New Yorker U-Bahn, der großzügig die Geschicke in Queens lenkt und stets ein Ohr für die Familie hat. Doch Leo will eine Abkürzung nehmen, die zweite Chance beschleunigen und stellt damit die Weichen für seinen Untergang – wortwörtlich, wenn er bei einer Nacht-und-Nebel-Aktion auf dem Schienennetz einen Polizisten niederschlägt. Es dauert nicht lange, bis James Gray mit seinem Film tief ins Herz der Stadt vorgedrungen ist und einen urbanen Mythos entfaltet, der keineswegs auf Panoramaaufnahmen von Hochhäusern angewiesen ist, um ein Gefühl für das düstere New York zu schaffen.

Stattdessen entführt The Yards – wie es der deutsche Zusatztitel passend beschreibt – direkt in die Hinterhöfe der Macht, wo im Verborgenen die großen Entscheidungen getroffen werden. Ein Blick ins Uhrwerk von New York, das stets geölt und nachgebessert werden muss, damit es beständig läuft und das Leben weitergehen kann. Diese Stadt pulsiert, hat Hunger, will niemals schlafen. Prächtige Montagen des Großstadttreibens, die sich in Rastlosigkeit verlieren, sucht man hier allerdings vergeben. James Gray, der gemeinsam mit Matt Reeves auch das Drehbuch schieb, entwirft ein New York-Porträt, das gleichermaßen nachdenkliches Epos wie intimes Drama ist und sich vorzugsweise im Abseits der vertrauten Orte abspielt. Nur hier sieht man die einzelnen Zahnräder ineinandergreifen: Die Korruption hält die Metropole am Leben – ein überaus komplexes Gefüge, das älter ist als die Zeit und den Lauf der Dinge diktiert.

Kaum hat Leo einen Blick in den Schlund der Stadt geworfen, verschlingt sie ihn mit ihren Versuchungen und Möglichkeiten. Was folgt, ist eine glanzlose Odyssee durch die Unterwelt, bei der jede weitere Abzweigung eine verheerende Entscheidung fordert. Am Ende führt die Straße in die gleiche Dunkelheit, der Leo zu Beginn des Films entkommen ist. Niederschmetternd ist diese Erkenntnis der Machtlosigkeit gegenüber dem eigenen Schicksal. Keiner kann aus dem System ausbrechen und die Weichen für immer verstellen. Meisterlich erforscht James Gray die Sackgassen der Geschichte, dem etwaigen Zynismus kann er allerdings nichts abgewinnen. Was er zwischen den Gleisen entdeckt, sind Menschen, deren Inneres genauso kaputt ist wie die Zugwägen, die sie zu reparieren versuchen – zerstört von Enttäuschung und Niederlagen, denn in The Yards ist nichts selbstverständlich, nicht einmal die Familie.

Nur ein noch größerer Schaden scheint der einzige Ausweg aus dem Elend zu sein. Sabotage soll die Zukunft sichern, bis die Situation eines Tages eskaliert, außer Kontrolle gerät. Jetzt muss sich etwas ändern, das spüren alle Figuren im Film, die wie Leos Mutter auf ein Ende der schlimmen Zeiten hoffen. Doch New York schluckt viel, saugt alle Geheimnisse in sich auf und gibt keine Seele zurück. James Gray, der Licht nur so spärlich wie notwendig in seinen Filmen zum Einsatz bringt, bettet die große Tragik der Geschichte in eine beeindruckend bedrückende Inszenierung, die in jeder Minute von unheimlicher Menschlichkeit zeugt und im Zusammenspiel mit Howards Shores – mitunter auf Gustav Holsts The Planets fußenden – gewichtigen Kompositionen etwas geradezu Unheimliches heraufbeschwört. Dann bleiben nur noch die Tränen, die langsam über die Gesichter laufen, während sie das Make-up verschmieren und schließlich komplett verschwinden. Hat es sich gelohnt?

The Yards © Miramax/Studiocanal