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THX 1138 – Kritik

Blinkende Lämpchen, flackernde Bildschirme und artifizielle Geräusche erzählen aus einer dystopischen Zukunft, in der die Menschen auf ihre Effizienz reduziert werden. Überwachungskameras beobachten jeden Schritt und Tritt der Figuren. Austauschbare Körper, die jeglicher Individualität beraubt wurden: In seinem ersten Kinofilm, THX 1138, zeichnet George Lucas das unbehagliche Bild einer Gesellschaft, die sich in ihrem Kontroll- und Leistungswahn verloren hat. Sämtliche Emotionen werden durch Medikamente unterdrückt. Wer nicht schluckt, macht sich schuldig und verschwindet.

Menschen beobachten Menschen, die Menschen beobachten: Die Atmosphäre in THX 1138 ist eine beklemmende und gewährt uns Zuschauern keinen Grund zur Hoffnung, dass ein Ausbruch aus diesem Labyrinth möglich ist. George Lucas entführt in eine unterirdische Anlage, in der nur strenge Formen existieren, die im künstlichen Licht zum Leben erwachen. Alles ist unterkühlt und beängstigend in dieser Welt, zumal Lucas‘ Inszenierung eine größtmögliche Distanz zu den Figuren aufbaut. Abstrakt und dokumentarisch gestalten sich die Aufnahmen dieses Gefängnisses, das von einer Roboterpolizei kontrolliert wird.

Bedrohlich stehen die Hütenden in den langen Gängen und schüchtern allein durch ihre Größe ein, ganz zu schweigen von den verchromten Gesichtern, in denen sich die Erbarmungslosigkeit des kalten Systems spiegelt. Unerbittlich prügeln sie auf die Menschen ein, die durch ihre weiße Kleidung und glattrasierten Köpfe kaum zerbrechlicher sein könnten. Zusammengerollt liegen sie am Boden und warten darauf, dass sich der dunkle Schatten über sie beugt und zuschlägt. Erschreckend ist diese Brutalität, weil sie Teil der Unterhaltung und damit selbstverständlich ist.

Wenn der titelgebende THX (Robert Duvall) nach getaner Arbeit in seine graue Wohnung kommt, schaut er sich zur Entspannung das Übel an, das ihn später selbst erwartet, sobald er seine Medikamente absetzt und sich zusammen mit seiner Mitbewohnerin, LUH (Maggie McOmie), der „sexuellen Perversion“ schuldig macht. Für die Rechtsprechenden ein klarer Fall: THX ist unheilbar und muss in Gewahrsam genommen werden, woraufhin er in einen Raum verbannt wird, dessen Grenzen unerreichbar scheinen – ein weiteres Beispiel, wie George Lucas den Gemütszustand der Figuren durch seine Inszenierung zum Ausdruck bringt.

THX irrt orientierungslos durch diesen Raum, der sich nicht definieren lässt, bis ein kleines Schlupfloch auftaucht und den Weg in die Freiheit offenbart. Schnelle, hektische Bewegungen dominieren die nachfolgenden Minuten, wenn der Protagonist durch das gigantische Tunnelsystem der Anlage flüchtet  – und trotzdem wirkt THX 1138 in diesem Augenblick klarer als zuvor. An die Stelle von kryptischen Detailaufnahmen und nervösen Soundschnipseln tritt ein abgründiger Science-Fiction-Thriller, der sich durch seine Geschwindigkeit und das Verlangen definiert, endlich der fesselnden Kälte auszubrechen.

Der gesamte Film läuft auf einen einzigen Moment hinaus, den George Lucas bereits in seinem Kurzfilm Electronic Labyrinth: THX 1138 4EB verfolgte und nun in Perfektion ausführt. Nach all der Unterdrückung entladen sich die angestauten Gefühle im Angesicht eines glühenden Sonnenuntergangs zur Matthäus-Passion von J.S. Bach. Verschwunden sind die unpersönlichen Kameras und Konsolen. Pure Emotionen bestimmen dieses Finale, das dem entfremdeten Menschen seine Wahrhaftigkeit zurückgibt. Zum ersten Mal blickt er der Zukunft entgegen, zum ersten Mal ist ein Schicksal ungewiss.

Ob THX in der neuen Welt überlebt, ist unklar. George Lucas stellt die Ungewissheit aber eindeutig über die Sicherheit der Untergrundanlage, der sein Protagonist über eine nahezu endlose Leiter entkommt. In der Ambivalenz, die das letzte Bild durchströmt, sieht Lucas vor allem kostbare Möglichkeiten, die vorher nicht gegeben waren. Das Flimmern ist genauso kraftvoll wie der Gesang der Chöre im Hintergrund, die von Anfang und Ende künden. Sagenhaft vereint George Lucas die Form mit dem Inhalt und führt seinen bis heute radikalsten Film zu einem atemberaubenden, überwältigenden Höhepunkt.

THX 1138 © Warner Bros.