Mit seinem herausragenden Matrix-Score befeuert Don Davis das Stampfen der Maschinen: Dissonante Klänge vereinen sich mit polytonalen Einwürfen, sodass es geradezu unmöglich ist, ein klares Leitmotiv in diesem Strudel unbändiger Bewegungen zu definieren. Die Musik steht damit ganz im Zeichen der Geschichte: In The Matrix muss Neo (Kenau Reeves) lernen, dass die Welt, in der er lebt, nicht echt ist. Stattdessen befindet er sich in einer virtuellen Realität, die von Maschinen geschaffen wurde, um die Menschen gefangen zu halten und zu kontrollieren.
In The Matrix wird folglich sehr viel durcheinandergewirbelt, nicht nur in den furiosen Actionszenen. Sobald Neo die rote Pille schluckt und in die Tiefen des Kaninchenbaus verschwindet, gilt es, alles zu hinterfragen. Irgendwann bleibt nicht mehr viel übrig, an das die Menschen, die er Maschinen-Hölle entkommen sind, glauben können. Die Frage nach dem Glauben stößt in der Matrix-Trilogie stets auf einen großen Zweifel, der aus der schockierende Erkenntnis über die ungemütliche Wahrheit der eigenen Existenz resultiert.
Im Chaos ist die Liebe das einzige greifbare Thema
Da steht der Mensch nun in der echten Welt und sieht nichts als Trümmer, die von einem Krieg künden, den er längst verloren hat. Sinnlos scheint es, zu glauben und zu hoffen. Auch die Musik spielt regelmäßig mit diesem Zweifel, indem sie uns eindeutige Leitmotive verwehrt. Obwohl Don Davis auf einige wiederkehrende musikalische Figuren zurückgreift, handelt es sich in den meisten Fällen nur um Bruchstücke, die der Ungewissheit verschrieben sind. Hier kann alles gedehnt und gebogen werden. Die Veränderung ist gleichermaßen Chance wie Bedrohung.
Am Ende findet Don Davis dennoch ein Leitmotiv, das sich über diese Ungewissheit hinwegsetzt, obwohl es zwei Filme lang genau mit dieser kämpfte. Es ist das Liebesthema zwischen Trinity (Carrie-Anne Moss) und Neo, das anfangs nur vorsichtig erklingt, ohne sich jemals richtig zu entfalten. Schüchtern versucht das Thema, gegen das mächtige Orchester und die schwindelerregenden Kompositionen anzukämpfen, erfährt jedoch lange keine Unterstützung, obwohl es schon bei einer der ersten Begegnungen zwischen Trinity und Neo zu entdecken ist.
Noch bevor Morpheus (Laurence Fishburne) den unwissenden Neo in die echte Welt holen kann, ist es Trinity, die ihn festhält und überzeugt, im Auto sitzen zu bleiben, anstelle vom strömenden Regen weggeschwemmt zu werden. Hier taucht das Liebesthema zum ersten Mal auf, jedoch in einer rohen Form, sodass es sich im Endeffekt nur um unscheinbare Andeutungen handelt. Später wird es stärker in den Schlüsselszenen zwischen den beiden Figuren zum Einsatz gebracht, ehe es sich beim lebensrettenden Kuss im Finale von The Matrix zusammen mit gefühlvollen Streichern vereint.
Dennoch lässt sich Don Davis erstaunlich viel Zeit, bis er das komplette Liebesthema zum Einsatz bringt. Während The Matrix Reloaded viel über die Mechanik der Matrix und die Rolle des Auserwählten nachdenkt, verliert sich The Matrix Revolutions in den großen Gesten eines Endkampfs und entdeckt die Liebe als Antwort auf die vorherigen Zweifel, bei künstlichen Programmen. Erst in den letzten Sekunden, die sich Trinity und Neo im Abschluss der Trilogie teilen, entfaltet Don Davis das Liebesthema in seiner schlichten wie unbegreiflichen Schönheit.
Erst am Ende entfesselt Don Davis Trinity Definitely
Drei Filme lang musste es sich verstecken, dafür fällt die sanfte Enthüllung umso überwältigender aus: In Trinity Definitely laufen all die behutsamen Versuche der Vergangenheit zusammen, etwas Wahrhaftiges in dieser Welt zu finden. Es ist ein leises Stück voller Trauer, das an die wohl verheerendste Sequenz des gesamten Films anschließt: Die Maschinen brechen durch die Verteidigungslinien von Zion, die letzte Menschenstadt, und sind bereit, alles, was lebt, zu vernichten.
Auch Trinity Definitely erzählt vom Tod, birgt schlussendlich aber noch mehr Hoffnung für die Zukunft. Den verdunkelten Himmel haben Trinity und Neo soeben durchbrochen – die Musik baut somit auch auf Farben auf, wie sie noch nie zuvor in den Matrix-Filmen zu sehen waren und erst am Schluss wieder erscheinen, wenn eine neue Welt mit der Aussicht auf Frieden geschaffen wird. Da wird dann auch die behutsame Oboe von den warmen, versöhnlichen Klangfarben eines Orchester aufgefangen, die nicht weiter von den aufwühlenden Dissonanzen des Anfangs entfernt sein könnten.
The Matrix Revolutions © Warner Bros.
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