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Über die Unendlichkeit – Kritik

Über die Unendlichkeit, der neue Film von Roy Andersson, beginnt mit zwei Menschen, die eng umschlungen vor einer grauen Wolkenwand durch den Himmel schweben. Es ist ein Bild, das wie geschaffen ist, um ein Gefühl von Unendlichkeit auszudrücken – und dennoch wirkt der Moment vor allem beklemmend. Nicht nur ist da eine unheimliche Trostlosigkeit in der Aufnahme verankert. Später rückt die Kamera weiter in die Ferne und zeigt uns die komplette Szene: Das Paar gleitet über die Trümmer eines Krieges hinweg. Unendlich ist auf einmal nur noch das Panorama der Zerstörung.

Immer wieder bringt Roy Andersson das Erhabene mit dem Hoffnungslosen zusammen und schließt somit nahtlos an sein vorheriges Schaffen an. Müde schleppen sich die Figuren durch die Straßen, als hätten sie eintausend freudlose Jahre hinter sich. Die Neugier ist längst aus ihren Gesichtern gewichen – es könnten auch Geister sein, die sich durch diese Welt bewegen, die wie stehengeblieben scheint. Bewegung findet kaum statt und wenn sie es tut, gleicht sie einem Fremdkörper in dieser Abfolge eingefrorener Bilder, die problemlos aus einem Museum stammen könnten.

Bevölkert wird diese Welt überwiegend von alten Männern, die vermutlich längst vergessen worden wären, gäbe es da nicht die junge Frauenstimme, die sich aus dem Off an ihre Begegnungen erinnert. Roy Andersson hangelt sich daraufhin von einem sorgfältig gestalteten Tableau zum nächsten. Trotz minimaler Ausstattung gibt es hier einiges zu entdecken, gerade im Hinblick auf die grotesken Details, die erst durch die Langsamkeit der Inszenierung zum Vorschein kommen. Tatsächlich hätte diese filmische Meditation noch deutlich langsamer ausfallen können, um sein gesamtes Potential zu entfalten.

Viel zu oft erfolgt der Schnitt bereits nach kurzer Zeit. Über die Unendlichkeit ist jedoch dann am stärksten, wenn die Kamera für mehrere Minuten ohne Schnitt in das zermürbende Stillleben eintaucht, das Roy Andersson in allen erdenklichen Grautönen ausstellt. Es fühlt sich geradezu so an, als könne man die getrockneten Farbe dieses tristen Gemäldes direkt von der (Kino-)Leinwand kratzen. Regungslos stehen die schlaffen Körper im Raum, wenn sie nicht direkt wie ein Häufchen Elend in sich zusammensacken und mit dem nächsten Atemzug den Rest ihres Lebensgeists aushauchen.

Selbst in den niederschmetterndsten Augenblicken fördert Roy Andersson einen feinen Humor zutage, der sich mit dem ausgestellten Elend schneidet und zur endgültigen Verfremdung des Gezeigten führt. Die große Unendlichkeit, wie in der eingangs beschriebenen Szene, blitzt dabei allerdings nur selten durch. Vielmehr denkt Roy Andersson in seinen eigentümlichen Miniaturen wieder über das Wesen der Menschen nach, die sich aufgrund einer lähmenden Ohnmacht in Einsamkeit verlieren. Sehr wahrscheinlich ist aber auch diese Einsamkeit eine Unendlichkeit.

Über die Unendlichkeit © Neue Visionen Filmverleih