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Venom – Kritik

Nachdem sich Sony von den Plänen verabschiedete, ein eigenes Filmuniversum mit Marvel-Helden zu gestalten, das seinerzeit auf der The Amazing-Spider-Man-Reihe mit Andrew Garfield gefußt hätte, wurde  die freundliche Spinne aus der Nachbarschaft ein zweites Mal gerebootet und als Teil des bei bei Disney ansässigen Marvel Cinematic Universe integriert. Der neue, von Tom Holland verkörperte Spider-Man nimmt folglich eine spannende, grenzüberschreitende Rolle in der aktuellen Superhelden-Landschaft ein. Auch darüber hinaus hat Sony das Interesse an seinen Marvel-Rechten nicht verloren: Der Antiheldenfilm Venom soll Grundstein eines Franchises werden, das ausschließlich unter dem eigenen Dach aufgezogen wird und seinen Fokus auf all jene Figuren richtet, die für gewöhnlich als Gegenspieler in den bisherigen Comic-Verfilmungen aufgetreten wären – eine weitere Grenzüberschreitung, dieses Mal jedoch in eine ganz andere Richtung. 

Venom ist kein unbekanntes Gesicht im Kino. Schon vor über einer Dekade absolvierte der feindselige Symbiont seinen ersten Leinwandauftritt im Rahmen von Sam Raimis drittem Spider-Man-Film, damals noch mit Tobey Maguire in der Rolle des Wandkrabblers. Regisseur Ruben Fleischer hat es sich nun zur Aufgabe gemacht, der außerirdischen Lebensform, die den menschlichen Körper wie ein Parasit als Wirt nutzt, zu ihrem ersten Solofilm zu verhelfen. Als Inspiration dienten ihm dabei nicht nur die Comics Venom: Lethal Protector und Planet of the Symbiots, sondern ebenfalls Raimis erst filmische Übersetzung der Figur. Die monströse Venom-Erscheinung anno 2018 ist der aus dem maßlos unterschätzten Spider-Man 3 gar nicht so unähnlich und gehört in ihrer schleimigen Erscheinung fraglos zu den größten Stärken des Films.

Wie sich Venom bewegt und verwandelt – das sorgt durchaus für große Augen, nicht nur bei den Passanten in San Francisco, die beim abendlichen Einkauf im nächstgelegenen Späti auf den Tod erschrecken, wenn die pechschwarze Kreatur mit ihren riesigen Augen und einer noch größerer Zunge plötzlich aus den Regalen hervortritt. Bevor es jedoch so weit ist, verbringt Venom sehr viel Zeit mit dem investigativen Journalisten Eddie Brock (Tom Hardy), der sich nicht den Mund verbieten lässt, dafür allerdings den Preis bezahlen muss. Aufgrund unangenehmer Fragen, die er an Dr. Carlton Drake (Riz Ahmed), dem Kopf der zwielichtigen Life Foundation, richtet, verliert er nicht nur seinen Job, sondern ebenfalls seine Freundin Anne Weynig (Michelle Williams). Was folgt, sind Alkohol und Selbstmitleid in ungesunden Dosen.

Venom versteht sich in seiner ersten Hälfte vielmehr als Drama eines vom Schicksal gebeutelten Mannes, das sich nur zufällig in der Welt von Superhelden und Bösewichten abspielt. Dieser vielversprechende Ansatz beugt sich allerdings zunehmend den Konventionen des Genres und vernachlässigt die Möglichkeiten einer Anthihelden-Geschichte auf fahrlässige Weise. Wenngleich Eddie Brock sichtlich unter dem Venom-Symbiont leidet, der von seinem Körper Besitz ergreift, lösen sich die damit einhergehenden sowie zuvor etablierten Konflikte in lustlos abgespulten Sequenzen auf, die jeglichen Eigensinn und jegliche Reibung vermissen lassen. Das überrascht durchaus, immerhin deutete sich der Kontrast zum momentanen Superhelden-Geschehen im Kino als geheimer Trumpf des Venom-Films an, ganz zu schweigen von der Tatsache, dass Tom Hardy sichtlich zum Ausbruch motiviert ist, zur Not auch selbst in ein Hummer-Becken springt, um diesen Hunger zu stillen.

Der Ausbruch aus den erprobten Formeln will Venom trotzdem nicht gelingen, selbst nicht dann, wenn der wahrlich unheimlich animierte Symbiont mit seinem Wirt einen Pakt eingeht, der den Film geradezu in faustische Dimensionen katapultiert. Da sitzen dann der Mensch und das Alien am Fuß der Golden Gate Bridge, unmittelbar miteinander verbunden in einem sich beständig verformenden Körper, während sich die Identitäten in einem unbeherrschten Konkurrenzkampf befinden. Die innere wie äußere Zerrissenheit übernimmt jedoch viel zu selten die Erzählung, obgleich die dafür notwendigen Bestandteile direkt vor unseren Augen befinden. Selbst der Body-Horror-Aspekt der Geschichte, der sich in Venom – wie auch im jüngsten Fantastic Four-Film – immer wieder andeutet, darf nie sein gesamtes Potential entfalten. Tatsachlich fehlt Ruben Fleischer schlicht die Neugier, überhaupt etwas in seinem Film zu entdecken.

Selbst Kameramann Matthew Libatique, der wie geschaffen für einen solch angsteinflößenden Stoff ist, der davon handelt, Welten und Körper zum Einsturz zu bringen, findet in diesem Wust zurechtgestutzter und unglücklich verbundener Ereignisse keine Bilder, die dem körperfressendem Albtraum gerecht werden. Der visuell unterwältigende Venom findet keine eigene Sprache, sondern lässt sich von hellblauen Lens flairs ablenken, die Licht ins Dunkel dieses überwiegend bei Nacht spielenden Films bringen sollen. Später wird das Motiv in Form von Explosionen bei einer rasanten, wenn auch wenig mitreißenden Verfolgungsjagd durch San Francisco wieder aufgegriffen. Ein durchdachtes Konzept ist dahinter aber nicht zu erkennen. Stattdessen reihen sich die Bilder in die gleiche Palette der vielen austauschbaren Elemente dieses vermeintlichen Antiheldenfilm, der verzweifelt auf der Suche nach einem Superhelden ist.

Venom © Sony Pictures