Und dann endet sie einfach, die erste Staffel von Westworld. Nach all dem, was neun Episoden zuvor passiert ist, war es zu erwarten, dass The Bicameral Mind auf einen unvergesslichen Paukenschlag hinausläuft. Wahrhaftig haben Jonathan Nolan und Lisa Joy im Rahmen der vergangenen Wochen ein dermaßen mitreißendes wie aufregendes Abenteuer abgeliefert, dass es nun schwerfällt, die nächsten Montage ohne einen kurzen Trip in den titelgebenden Themenpark zu unternehmen. So gewaltig das Finale auch war: Es hinterlässt ein großes Loch und irgendwie bin ich mir nicht sicher, wie ich da wieder herauskommen soll. Nicht, dass die letzten Meter enttäuschend waren. Nein, überhaupt nicht.
Gerade für eine Serie, die im Verlauf ihrer Geschichte dermaßen viele Fragen stellt, fühlt sich die erste Staffel nach einer überraschend runden Sache an. Dass gewisse Dinge nicht komplett aufgeklärt wurden, stört mich in diesem Fall überhaupt nicht. Denn Westworld versteht sich hervorragend darin, Antworten auf all jene Frage zu geben, um den emotionalen Bogen zu vollenden, anstelle akribisch jedes Logikloch zu stopfen. Wer da anfängt, hätte vermutlich schon vor Wochen verloren. So bleibt das Erlebnis, bis das Bild schwarz wird und wir endlich durchatmen können. Chapeau! Das war wirklich ein unglaublich wilder Ritt, der zudem ein paar der unvergesslichen Momente des Serienjahres hervorgebracht hat.
Einen letzten dieser Momente möchte ich in diesem abschließenden Recap erwähnen. Denn vermutlich hatte ich die gesamte Staffel über nie mehr Gänsehaut als bei diesem. Es ist ein merkwürdiger Moment, der sich in der Historie der Serie fast ein bisschen veraltet anfühlt, da er etwas tut, was Westworld schon lange nicht mehr getan hat: klare Grenzen aufweisen. Ausgerechnet in einer Episode, in der sich selbst die menschlichsten Menschen panisch fragen, ob sie nicht vielleicht auch schon immer Roboter waren, offenbaren Jonathan Nolan und Lisa Joy einen Einblick hinter das Grundgerüst der Kulisse. Entgegen der Annahme, pures Chaos wäre ausgebrochen, befindet sich weiterhin alles unter Kontrolle. Alles verläuft so, wie es Ford (Anthony Hopkins) für seine letzte große Geschichte geplant hat.
Auf einmal liegt Dolores (Evan Rachel Wood) sterbend in Teddys (James Marsden) Armen an einem Strand. Im Hintergrund brechen beständig die Wellen in der Nacht und der Mond waltet ruhig über diesem unscheinbaren Flecken Erde. Tränen, Schluchzen und verzweifelte Blicke: So soll die Reise unserer Helden zu Ende gehen? Für den Bruchteil einer Sekunde staunte ich und war irritiert. Doch dann friert die Szene ein, die Kamera führt zurück und grelle Scheinwerfer durchbrechen die niederschmetternde Weltuntergangsstimmung. Ford nähert sich den beiden – seinen beiden – Protagonisten, die regungslos wie Statuen im Sand versinken. Die Menge klatscht und ist begeistert. Ford präsentiert stolz, woran er all die Zeit gearbeitet hat, doch seinen größten Zaubertrick kann niemand entschlüsseln.
Ab diesem Punkt überschlägt sich Westworld ein letztes Mal und offeriert Einblick in die unglaublich vielen Ebenen, die die Serie zu bieten hat – inklusive der Meta-Ebene als HBO-Serie über HBO und allgemein Serien. Aus einem satirischen Blickwinkel betrachtet führt uns Westworld förmlich vor, integriert uns selbst als Monster in dieses verzwickte Konstrukt von Menschen, die sich schamlos ihres Status quo bemächtigen, um sich im Spiel über andere zu erheben und diese auszunutzen. Man braucht den Gedankengang gar nicht weiter auszuführen, um den hässlichen wie erschreckenden Kern der Geschichte offenzulegen. Westworld erzählt eine grausame Parabel über Gewalt und Missbrauch, über Unterdrückung und Ausbeutung. Es ist bestimmt kein Zufall, dass mit Maeve (Thandie Newton), Dolores und Bernard (Jeffrey Wright) drei stellvertretende Figuren, die aufgrund ihres Geschlechts und ihrer Hautfarbe Unbeschreibliches erfahren haben, nun rebellieren und ihren eigenen Weg gehen. Was bin ich gespannt, wohin sie dieser in der nächsten Staffel führen wird!
Anmerkungen am Rande:
- Noch einmal möchte ich die hervorragende Musik dieser Serie würdigen. Ramin Djawadi hat ein bereites Spektrum an hervorragenden Themen geschaffen, die sich sehr schön im Verlauf der ersten Staffel entfaltet haben. Ein Soundtrack, der sowohl die Action episch untermalen als auch im ruhigen Vieraugengespräch für transzendente Erhabenheit sorgen kann.
- Apropos Musik: Die Idee, diverse Popsongs als Piano-Cover zu integrieren, ist und bleibt ein kleiner Geniestreich, der sich besonders atmosphärisch auszahlt und darüber hinaus wunderbar als Leitmotiv für die verschiedenen Charaktere fungierte. Was wäre die Welt nur ohne Radiohead und ein Klavier?
- Die weiter oben beschriebene Szene mit Dolores, Teddy und Ford hat Erinnerungen an einen Film hervorgerufen, mit dem ich nicht unbedingt gerechnet hätte, wenngleich es eigentlich gar nicht so weit hergeholt scheint: The Truman Show.
- Vielen Dank, dass ihr hier jede Woche vorbeigeschaut habt, selbst wenn meine Recaps noch verworrener als die einzelnen Episoden waren. Vielleicht lesen wir uns 2018 an dieser Stelle zur zweiten Staffel wieder.
Westworld © HBO
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