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Wonder Woman 1984 – Kritik

Der erste Wonder Woman-Film gipfelte auf einem Rollfeld mit der Frage, ob es überhaupt ein Entkommen aus dem Kreislauf von Leid und Töten gibt. Als strahlende Supernova durchbrach die von Gal Gadot verkörperte Superheldin die erstickende Finsternis, die vom Kriegsgott Ares heraufbeschworen wurde. Auch in der Fortsetzung, Wonder Woman 1984, muss die DC-Heldin den Zauber eines Gegenspielers durchbrechen, der die Menschen mit seinen Gedanken vergiftet. Dieses Mal sind die Fronten zwischen Gut und Böse jedoch weniger klar getrennt als im Vorgänger.

Wie es der Titel verspricht, verlagert Regisseurin Patty Jenkins die Handlung aus dem Ersten Weltkrieg ins Jahr 1984. An die Stelle von Schützengräben, in denen Soldaten kauern, treten strahlende Malls und die Menschen frönen hemmungslos ihrer Konsumlust. Befeuert werden sie von dem charmanten Unternehmer Maxwell Lord (Pedro Pascal), der im Fernsehen alles und noch mehr verspricht – man muss es nur wollen. Doch dann gibt es in dieser Welt auch Figuren wie die verunsicherte Gemmologin Barbara Minerva (Kristen Wiig), die durch ihre Niederlagen und daraus entstehenden Wünsche fehlgeleitet wird.

Das Amerika von Wonder Woman 1984 ist ein strahlendes. Der Teufelskreis des ersten Teils ist durchbrochen. Aber der Schein trügt: Alles ist so flach wie die Bildschirme, über die Maxwell Lords seine leere Versprechen verbreitet – eine merkwürdige künstliche Welt setzt Jenkins in Szene. Jedes Bild signalisiert, dass die Wünsche und Träume, die hier in Erfüllung gehen, auf einem Trugschluss basieren. Die Fassade bröckelt, bevor sie aufgebaut ist. Kaum öffnet sich das Tor zum obersten Stockwerk, kommt anstelle eines Palastes die bittere, verdrängte Realität voller Enttäuschung zum Vorschein.

Wonder Woman 1984 ist in diesen Momenten nicht sonderlich komplex und tiefgründig. Die Motive des Films wirken genauso durchschaubar wie die Lügen von Pedro Pascals aufgedrehtem Bösewicht. Gleichzeitig versteckt sich in dieser Durchschaubarkeit eine überwältigende Aufrichtigkeit. Bei all den tragischen Figuren, denen wir folgen, schreckt der Wonder Woman 1984 nie davor zurück, nach etwas Größerem zu streben. Jenkins‘ zweiter Superhelden-Blockbuster steht damit deutlich mehr in der Tradition von Richard Donners erstem Superman-Film als in der aktueller DC-Verfilmungen.

Das neue Abenteuer von Wonder Woman aka Diana Prince fühlt sich ein bisschen altmodisch an, auf seine eigentümliche Art aber auch erfrischend. Um die Filmsprache von Wonder Woman 1984 zu finden, ist Jenkins noch viel weiter in die Vergangenheit zurückgereist, als es das titelgebende Jahr erahnen lässt. Gerade die Actionszenen erwecken den Eindruck, als wären sie im Rückprojektionsverfahren entstanden – ein faszinierendes Gefühl im digitalen Effektkino des 21. Jahrhunderts. Nicht weniger faszinierend gestaltet sich der beige Look des komplett auf 35mm und 65mm gedrehten Films.

Visuell positioniert Jenkins kontrastreich zum Vorgänger. Das Herz von Wonder Woman 1984 bleibt aber das gleiche: Gal Gadot. Erneut steigert sie sich voller Energie in ihre ikonische Rolle, gerade im Zusammenspiel mit Chris Pine, der seinen Steve Trevor von den Toten auferstehen lässt. Die Dynamik zwischen den beiden ist dieses Mal umgedreht: Während sich Gadot wissend und entschlossen ihren den Weg durch die 1980er Jahre bahnt, bleibt Pine als Fish out of Water staunend vor jeder technischen Errungenschaft und einem Mülleimer stehen, dessen künstlerische Bedeutung er maßlos überschätzt.

Die heimliche Screwball-Komödie in Wonder Woman 1984 ist mehr als eine Nummernrevue der besten Momente des ersten Teils. Steve Trevors Präsenz unterstützt die Fortsetzung auf der emotionalen Ebene: Nicht nur Maxwell Lord und Barbara Minerva fallen der Macht der Wünsche zum Opfer. Auch Diana tauscht ihren Schmerz gegen eine Fantasie ein. Gemeinsam mit Steve fliegt sie in einem unsichtbaren Jet durch Feuerwerke und über die Wolken – eine großartige Szene voller Wunder und Wahrhaftigkeit, obwohl sie nicht echt ist. Danach kommt die wirkliche Prüfung: der Flug in Einsamkeit.

Beitragsbild: Wonder Woman 1984 © Warner Bros.