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Zack Snyder’s Justice League – Kritik

Eine lähmende Schockwelle zieht sich durch die ersten Minuten von Zack Snyder’s Justice League. Sie verlängert eines der eindrucksvollsten Bilder, die das Superheldenkino der vergangenen Dekade hervorgebracht hat. Im Finale von Batman v Superman: Dawn of Justice opferte sich Superman (Henry Cavill), um die Welt zu retten. Sein toter Körper liegt in den Armen von Lois Lane (Amy Adams). Batman (Ben Affleck) und Wonder Woman (Gal Gadot) stehen wie versteinert daneben.

Es ist ein zerreißender Augenblick, der einen Film voller Misstrauen und Zwietracht beschließt. In aller Ausführlichkeit erforscht Zack Snyder nun die beklemmende Leere, die Supermans Tod hinterlassen hat. Vier Stunden Laufzeit umfasst sein Director’s Cut von Justice League. Es handelt sich um die Version des Films, für die ihm vor vier Jahren die Kraft fehlte. Kreative Differenzen mit dem Studio und der Suizid seiner Tochter führten dazu, dass er der Produktion vorzeitig den Rücken kehrte.

Als Ersatz wurde Avengers-Regisseur Joss Whedon engagiert, der den DC-Blockbuster nach seinen eigenen Vorstellungen neu modellierte, inklusive umfangreicher Reshoots. Der Justice League, der im November 2017 in die Kinos kam, entpuppte sich als Kind zweier Filmemacher, deren Stil kaum unterschiedlicher sein könnte. Ein unglücklicher Kompromiss, der weder künstlerische noch finanzielle Erwartungen erfüllte – und vor allem eines schürte: das Verlangen nach der Originalfassung.

Jahrelang setzten sich die Fans für die Veröffentlichung des sogenannten Snyder-Cuts ein, obwohl lange Zeit unklar war, ob dieser überhaupt existiert. Im Mai 2020 wurde Zack Snyder’s Justice League schließlich offiziell für den Streaming-Dienst HBO Max angekündigt. Ein nie vorhergesehenes Ereignis, bei dem viele spannende Faktoren zusammenkommen, angefangen beim – mitunter besorgniserregenden – Einfluss der Fans bis hin zu den ungeahnten Möglichkeiten des Streaming-Zeitalters.

Ein zusätzliches Budget von 70 Millionen US-Dollar soll die Fertigstellung von Zack Snyder’s Justice League gekostet haben. Neue Effekte, neue Farben und neue Musik: Sogar völlig neue Szenen wurden gedreht, sodass u.a. Jared Letos umstrittener Joker aus Suicide Squad einen kurzen Auftritt hat. Das Ergebnis ist ein monumentaler Superheldenfilm, der vor keiner großen Emotion zurückschreckt und in jede Bewegung des epochalen Aufeinandertreffens der DC-Ikonen verliebt ist.

Selten hat sich Snyder so in seinen Zeitlupen verloren, in denen Figuren und Räume auf atemberaubende Weise verschmelzen. Die Handschrift des Regisseurs ist in jeder Sekunde zu erkennen und lässt den Film zum beeindruckenden Zeugnis seiner Vision werden. Wo Warner sich längst von der Idee eines zusammenhängenden DC-Universums verabschiedet hat, schließt Zack Snyder’s Justice League stimmig an die in Man of Steel und Batman v Superman: Dawn of Justice verankerten Themen an.

Gottgleiche Aliens haben die Welt ins Wanken gebracht und das Grundvertrauen der Menschen erschüttert. Zack Snyder’s Justice League erweist sich als Meditation über Trauer, Reue und Vergebung. Es ist geradezu poetisch, dass der Film selbst das Ergebnis einer zweiten Chance ist. Eine zweite Chance, die Snyder ohne Kompromisse nutzt, besonders wenn es um den Ausbau der Geschichten rund um Cyborg (Ray Fisher), Aquaman (Jason Momoa) und Flash (Ezra Miller) geht.

Nachdem die Zusammenführung der Justice League im Whedon-Cut überwiegend Behauptung blieb, steigert sich Snyder hingebungsvoll in die DC-Mythologie und erforscht die Hintergründe der Figuren. Zack Snyder’s Justice League ist der deutlich komplexere und feinfühligere Superhelden-Blockbuster. Getränkt von tragischen Zwischentönen entfaltet sich die Handlung in unerwarteter Ruhe und Gelassenheit. Am liebsten schält Snyder seine Superheld*innen wie Statuen aus der Umgebung.

In seinen intimen 4:3-Aufnahmen ist dennoch Platz für Lichtblitze und apokalyptische Landschaften. Sie setzen die Stimmung für einen Film, der am liebsten ohne Worte auskommt und seine Bilder für sich sprechen lässt. Zusammen mit Tom Holkenborgs Musik, die im Gegensatz zu Danny Elfmans Score in der Kinofassung mehr Bezüge zu den musikalischen Motiven aus Man of Steel und Batman v Superman: Dawn of Justice nimmt, bauen sich viele kleine Sequenzen mit eigenem Höhepunkt auf.

Auch wenn die Aufteilung in Kapitel eine eindeutige Struktur vorgibt, ist Zack Snyder’s Justice League kein streng geordneter Superhelden-Blockbuster, sondern ein Mäandern durch Comic-Welten voller Leben und Tod. Die vielen kleinen Sequenzen schwappen ineinander über, vermischen sich und schaffen ein Gefühl für all die Einzelteile, die sich in diesem Monumentalfilm in Bewegung befinden. Es ist kein runder und sicherlich kein perfekter, aber definitiv ein sehr faszinierender Film.

Beitragsbild: Zack Snyder’s Justice League © HBO Max/Warner Bros.