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Alita: Battle Angel – Kritik

Ein Engel fällt zur Erde und landet in den Trümmern einer geteilten Welt. Oben über den Wolken schwebt die letzte Festung der Menschheit, unerreichbar für all jene, die sich auf dem Boden zwischen Müllbergen und Schrottteilen eine Existenz aufgebaut haben – 300 Jahre nach dem großen Krieg, der sämtliche vereinende Systeme zum Einsturz brachte. Das 26. Jahrhundert von Alita: Battle Angel gleicht einem sonderbaren Ort, der stets von den Niederlagen der Vergangenheit kündet und dennoch golden in der untergehenden Sonne schimmert. Hier findet der Wissenschaftler Dr. Ido (Christoph Waltz) die Überreste eines Cyborgs, der aus einer längst vergessenen Zeit stammt und ein düsteres Geheimnis in sich birgt. Entgegen der Gefahr werden wir jedoch zuerst Zeugen einer Wiedergeburt, wenn Dr. Ido das menschliche Gehirn im Innern des hochtechnologischen Körpers Alita (Rosa Salazar) tauft. Nur die Erinnerung fehlt, was das Entdecken umso wertvoller macht und Alita: Battle Angel in eine abwechslungsreiche Achterbahnfahrt verwandelt.

Basierend auf der gleichnamigen Manga-Vorlage von Yukito Kishiro, die 1991 in neun Ausgaben veröffentlicht wurde, lässt uns Regisseur Robert Rodriguez die faszinierende Zukunft von Alita: Battle Angel durch die riesigen Augen seiner Protagonistin erleben, die sich staunend durch die Schluchten der dystopischen Landschaft bewegt und selbst dem unscheinbarsten Detail am Wegesrand mit bedingungsloser Begeisterung begegnet. An jeder Ecke bewegt sich etwas und Bewegungen sind es, die Alita insbesondere in ihren Bann ziehen – je schneller, desto besser. Auch Robert Rodriguez ist sichtlich verliebt in die mitreißenden Bewegungsabläufe seines Science-Fiction-Abenteuers, das er von James Cameron geerbt hat. Während Cameron dem ambitionierten Projekt als Produzent treu bleib und gemeinsam mit Laeta Kalogridis das Drehbuch schrieb, liefert Robert Rodriguez nun eine seiner aufregendsten Regiearbeiten ab, selbst wenn nicht alles perfekt ist. Die Überzeugung, die in diesem Film steckt, ist dafür umso unwiderstehlicher.

Alita: Battle Angel will so viel zeigen, dass mitunter große Sprünge nötig sind, um alle Handlungsstränge und Schauplätze im Rahmen der rund zweistündigen Laufzeit zu vereinen. Gerade in der ersten Hälfte überzeugt der Film trotzdem mit unerwartet vielen ruhige Szenen, die sich mit dem Innenleben der Figuren beschäftigen und der Zukunftsvision Raum zum Atmen geben. Wenngleich der mythologische Überbau bisweilen kryptisch bleibt und bewusst nur in Fragmenten angedeutet wird, fühlt sich diese Welt reich und greifbar an. Alita: Battle Angel strotzt vor einprägsamer Formen und Farben, die zahlreichen Vorbildern aus der Filmgeschichte nacheifern. Dennoch besitzt der Film seine eigene Identität, seine eigene Stimme – und das liegt vor allem an Hauptdarstellerin Rosa Salazar, die sich über die Hürde des Motion-Capture-Verfahrens hinwegsetzt und zum Herz der Geschichte avanciert, was in Anbetracht der unzähligen Spezialeffekte und prächtigen Sets alles andere als selbstverständlich ist.

Salazars Alita lässt sich genauso gern von den unzähligen Eindrücken erschlagen, die unermüdlich auf sie einprasseln, wie sie ihre eigenen Entscheidungen trifft. Gleichermaßen neugierig wie selbstbewusst erobert sie eine bunte, mitunter aber auch düstere und brutale Welt, in der Wall-E mehr als glücklich wäre, während sich im beeindruckendsten Set Piece die spektakulären Verfolgungsjagden aus Speed Racer und Ready Player One vereinen. Entgegen dem wilden Treiben verliert Robert Rodriguez jedoch nie den Fokus und kehrt immer wieder zur entscheidenden Frage nach Alitas wahrer Identität zurück. Wer ist diese Heldin, die teils Mensch, teils Maschine ist, eine ungeklärte Vergangenheit besitzt und vor dem Beginn eines neuen Leben steht? Alita: Battle Angel meditiert in seiner Form zwar nicht so fließend mit dem philosophischen Grundgerüst über Körper und Geist wie etwa die Ghost in the Shell-Verfilmung mit Scarlett Johansson. Umkommentiert will der Film das Geschehen aber keinesfalls lassen.

Zeitlos sind die Themen, die Alita: Battle Angel zugrunde liegen. Selbst 25 Jahre nach der Erstveröffentlichung des Manga liest sich die Geschichte als großartige Science-Fiction, die den Spiegel der Gegenwart in ein furioses Abenteuer verwandelt und vor politischen Untertönen nicht zurückschreckt. Hinter den makellosen CGI-Effekten offenbaren sich tiefe Abgründe in dieser Dystopie, in der mit allem gehandelt wird, was sich für Wert verkaufen lässt. In einem packenden Moment taucht Alita: Battle sogar direkt ein, in die verborgene Welt unter der Welt, wo keine Regeln existieren, sondern bloß das Gesetz des Stärkeren zählt. Robert Rodriguez gelingt es, eine Fallhöhe für die Figuren zu erzeugen, besonders dann, wenn Körper repariert werden können, aber der Geist ein unberechenbares Risiko bleibt, zwischen Wunder und Zerstörung. Diese nachdenklichen Blicke kommen vor allem aus Dr. Idos Richtung, der Alita am liebsten dabei zusieht, wie sie durch die Lüfte schwingt, die unheilvolle Wahrheit dahinter aber nicht vergessen kann.

Alita: Battle Angel © 20th Century Fox