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Eternals – Kritik

Ein schwarzes Raumschiff in Dreiecksform gleitet monolithisch an einer glühenden Sonne vorbei. Der Moment ist nur von kurzer Dauer, doch für Eternals, den neusten Film aus dem Marvel Cinematic Universe, ist er ein ganz entscheidender. Er schildert von einer Reise durch die entlegensten Winkel des Universums, ehe später ein Schnitt sieben Jahrtausende überspringt und uns die Welt zeigt, die wir kennen. Selbst nach dem Kampf gegen Thanos, der mit einem Fingerschnipp die Hälfte aller Lebewesen auslöschte, strebt Eternals eine Größe an, die unvorhergesehen in Hollywoods mächtigstem Franchise ist.

Seit über eine Dekade dominiert das MCU das Kino und widmet sich Superheld:innen im Kampf gegen das Böse. Einen Film, in dem Babylon geschaffen wird, bevor das Wunder der Schöpfung mit dem Balanceakt des Fortschritts kollidiert, gab es allerdings noch nicht. Eternals ist ein gigantischer Film und nicht weniger bemerkenswert sind die Ambitionen, die sich in Chloé Zhaos erstem Blockbuster verstecken. Für Nomadland wurde sie dieses Jahr mit dem Oscar als Beste Regisseurin ausgezeichnet. Sie ist fraglos die spannendste Filmschaffende, die bisher Zugang zum MCU erhalten hat.

Im Weltkino hat sich Zhao durch zärtliche Dramen wie Songs My Brothers Taught Me und The Rider einen Namen gemacht. Ihre Filme erzählen vom Licht der Dämmerung und der Zerbrechlichkeit von Menschen, die sich durch die Einsamkeit weiter Landschaften bewegen. Dass Filmemacher:innen aus dem Independent-Bereich kurz nach ihren Achtungserfolgen ins Blockbuster-Kino gezogen werden, ist nicht unüblich. Selten bringen sie jedoch eine solch ausgefeilte Handschrift mit wie Zhao, was zur großen Frage führt: Kann die aufsteigende Regisseurin im MCU ihren eigenen Fußabdruck hinterlassen?

Wie schwer der Kampf gegen die Formelhaftigkeit der MCU-Filme ist, bewies zuletzt der nicht weniger vielversprechende Shang-Chi and the Legend of the Ten Rings. Mit Short Term 12-Mastermind Destin Daniel Cretton auf dem Regiestuhl hatte die Einführung des titelgebenden Helden auf ein atemberaubendes Martial-Arts-Abenteuer im Marvel-Gewand hoffen lassen. Doch am Ende breitete sich die gleiche graue Bilderwüste aus, die schon zahlreichen MCU-Filmen zuvor das Genick gebrochen hat. Die Marvel-Maschine rattert so laut, dass neue Stimmen selten gegen sie ankommen.

Auch Zhao kann das über 25 Filme starke MCU nicht aufbrechen. Zu tief sind bestimmte Elemente in der DNA des Franchise verankert, als dass es von einem Film komplett umgekrempelt werden könnte. Eternals ist trotzdem die aufregendste Erweiterung seit sehr langer Zeit. Zhao bannt etwas Wunderschönes, Berührendes und Eigenständiges auf die Leinwand, das nicht ehrfürchtig im Angesicht der Marvel-Mythologie zittert. Stattdessen bringt sie den Superheldenfilm zu seinen Wurzen zurück und beschäftigt sich eingehend mit dem Wesen der Figuren, die Eternals bevölkern.

Angeführt von Ajak (Salma Hayek) wurden die Eternals auf die Erde geschickt. Im Auftrag der Celestials sollen sie den Planeten von den bösen Deviants befreien und dadurch das Gleichgewicht wiederherstellen. Während die Jahrhunderte vorüberziehen, kommen im Kreis der Held:innen jedoch mehr und mehr Zweifel auf, welchen Sinn und Zweck ihre Mission wirklich verfolgt. Sie warten und gehorchen, dürfen aber über die Bändigung der Deviants hinaus nicht in den Lauf der Geschichte eingreifen. Ein Umstand, der dazu führt, dass die Gruppe zerbricht und die einzelnen Mitglieder getrennte Wege gehen.

Zhao, die gemeinsam mit Patrick Burleigh, Ryan Firpo und Kaz Firpo das Drehbuch schrieb, entfaltet ihren Film auf mehreren Zeitebenen. Während wir in der Gegenwart Sersi (Gemma Chan) folgen, die versucht, die Eternals wieder zusammenzubringen, erforschen Flashbacks in der Vergangenheit die Ereignisse, die zum Bruch der ungewöhnlichen Familie geführt hat. In diesen Passagen entpuppt sich Eternals als breit angelegtes Epos, das durch eindrucksvolle Bilder das Wirken der Superheld:innen auf der Erde illustriert und ebenso ihre Beziehungen untereinander auslotet.

Wo es dem MCU oft an einem Gespür für die Größenordnung handelt, wandelt Zhao spielerisch zwischen überlebensgroßen Actionszenen und den intimen Figurenkonflikten. Sie sieht nicht nur Körper und Superkräfte, sondern vor allem aufgeschürfte Wunden und verunsicherte Blicke. Sogar Angelina Jolie, die jeden Blockbuster mühelos als unantastbare Actionheldin anführen kann, trägt in Zhaos Film einen Schmerz mit sich herum, der sie menschlich macht. Diese greifbare Menschlichkeit unterscheidet Eternals von seinen schematischen MCU-Kollegen, die sich an leeren Posen abarbeiten.

Zhao will Welten und Figuren entdecken und begnügt sich nicht mit den Oberflächen des Genres. Auch wenn ihr Film an den üblichen Stationen Halt macht, wird er von einer Neugier durchdrungen, die der Geschichte eine kosmische Ebene voller aufwühlender Nachfragen verleiht. Eternals ist kein aufgeblasener MCU-Koloss, sondern durch und durch ein Superheldenfilm, der eine nachdenklich-skeptische Haltung gegenüber seinen Held:innen pflegt, die sich zwischen den Jahrhunderten verloren haben. Gerade für ihr Scheitern und ihr Hadern bringt Zhao bewundernswerte Empathie auf.

Beitragsbild: Eternals © Walt Disney Studios Motion Pictures