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Shang-Chi and the Legend of the Ten Rings – Kritik

Eine Bewegung wiederholt sich mehrmals in Shang-Chi and the Legend of the Ten Rings: Bevor sich die Figuren im Kampf begegnen, fahren sie mit einem Fuß kreisförmig über den Boden. Sie machen sich mit ihrer Umgebung vertraut, balancieren ihren Körper aus und fokussieren sich auf ihr Gegenüber. Es ist eine Bewegung, wie man sie vor allem aus Martial-Arts-Filmen kennt. Shang-Chi kann sie gar nicht oft genug nacheifern. Es ist dem Film anzusehen, wie stolz er darauf ist, sie selbst auszuführen.

Shang-Chi and the Legend of the Ten Rings, der neuste Eintrag im Marvel Cinematic Unvierse bricht die Schranken des Superhelden-Franchise auf und wagt sich in eine Fantasiewelt, die unter anderem von chinesischen Wuxia-Filmen inspiriert ist. Hier kommt es zu furiosen Schwertkämpfen und übernatürlichen Erscheinungen – verschwunden sind die trostlosen Flughäfen und Autobahnen, die Captain Americas jüngere MCU-Abenteuer begleitet haben. Shang-Chi and the Legend of the Ten rings lädt zum Staunen ein.

Der erste Marvel-Film mit einem asiatischen Hauptdarsteller – die Ehre geht an den aus der kanadischen Sitcom Kim’s Convenience bekannten Simu Liu – will das vertraute Universum in eine neue Richtung bewegen und stellt uns zahlreiche Figuren, Schauplätze und weitere Elemente vor, die wir im MCU noch nie zuvor gesehen haben. Den einengenden Mustern, unter dem schon seine Vorgänger gelitten haben, kann Shang-Chi trotzdem nicht entkommen. Aufbruch und Niederlage gehen Hand in Hand.

Mit Short Term 12-Regisseur Destin Daniel Cretton auf dem Regiestuhl galt Shang-Chi and the Legend of the Ten Rings als einer der großen Hoffnungsträger der vierten MCU-Phase. Dank der spannenden Talente vor und hinter der Kamera ist der Film definitiv einen Blick wert, jedoch weit von dem großen Wurf entfernt, der er hätte sein können. Für jeden Schritt, den Shang-Chi im MCU-Kontext nach vorne geht, bewegt er sich filmisch einen zurück, bis wir wieder in einem austauschbaren CGI-Finale angekommen sind.

Die Sorgfalt und die Hingabe, mit der sich die Figuren mit jener eingangs beschriebenen Fußbewegung auf den bevorstehenden Kampf vorbereiten, verblassen im Angesicht des einfallslosen Getöses. Ihre Schönheit wird komplett verkannt. Der schockierendste Moment in Shang-Chi and the Legend of the Ten Rings gestaltet sich in einer Szene, in der magisches Territorium erobert werden soll – und zwar mit einem Jeep, der achtlos durch das Gelände brettert und damit selbst den letzten Funken Magie vernichtet.

Shang-Chi and the Legend of the Ten Rings ist kein schlechter Film. An diesem Punkt stellt sich jedoch die Frage, wie viel Interesse das MCU wirklich am Entdecken neuer, unbekannter Welten hat. Der Jeep ist ein Fremdkörper in der malerischen Landschaft, jedoch keiner, der eine erzählerische Funktion erfüllt und geschickt das Eindringen in die Fremde veranschaulicht. Er ist Ausdruck fehlender Kreativität und Fantasie. Marvel nimmt dem einfachsten Weg, um an sein Ziel zu kommen – effizient, aber nicht erfrischend.

Dabei war der Start in Phase 4 ein erstaunlicher: Bis kurz vor Schluss begeisterte WandaVision als eine der einfallsreichsten Superhelden-Geschichten der letzten 10 Jahre. Abseits von ein paar für MCU-Verhältnisse überdurchschnittlich gut inszenierten Actionszenen gibt sich Shang-Chi and the Legend of the Ten Rings leider viel zu oft mit Standartsituationen zufrieden und vernachlässigt Schauspiellegenden wie Tony Leung und Michelle Yeoh aufs Sträflichste. Das Staunen verwandelt sich in Entsetzen.

Beitragsbild: Shang-Chi and the Legend of the Ten Rings © Walt Disney Studios Motion Pictures