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Happier Than Ever: A Love Letter to Los Angeles – Kritik

Ende Juli meldete sich Billie Eilish mit ihrem zweiten Studioalbum zurück. In Happier Than Ever entwickelt die Singer-Songwriterin ihren unverwechselbaren Stil weiter und erschafft ein emotionales Klangmeer, das ab dem ersten Ton in seinen Bann zieht. Eilishs Musik ist intim, verletzlich, gelassen, aber auch aufwühlend und niederschmetternd. Mit Happier Than Ever: A Love Letter to Los Angeles erweitert sie nun das meisterhafte Album mit einer ungewöhnlichen Konzerterfahrung auf Disney+.

Große Konzerte sind aufgrund der Corona-Pandemie nach wie vor eine knifflige Angelegenheit. Im Streaming-Zeitalter tun sich dafür immer mehr Alternativen auf. Letztes Jahr war etwa Taylor Swift mit The Long Pond Studio Sessions bei Disney+ zu Gast und spielte im kleinen Rahmen alle Songs aus Folklore. Happier Than Ever: A Love Letter to Los Angeles steht in dieser Tradition, wenn auch mit einem entscheidenden Unterschied: Anstelle des gemütlichen Studios wählt Billie Eilish eine riesige Bühne.

Die legendäre Hollywood Bowl in Los Angeles ist der zentrale Schauplatz des Konzertfilms. Von einem Publikum fehlt weit und breit jegliche Spur. Die Sitzplätze sind leer. Umso eindrucksvoller wirkt die Freilichtbühne: Während die Dunkelheit hereinbricht, hüllen die Scheinwerfer Billie Eilish in ein magisches Licht und hinterlassen Reflexionen im Wasserbecken, das die Bühne vom Publikumsbereich trennt. Es ist eine friedliche, laue Sommernacht – im Hintergrund funkeln verschwommen die Lichter der Metropole.

Ganz allein ist Eilish nicht: Neben ihrem Bruder, Finneas O’Connell, und einem Schlagzeuger wartet Happier Than Ever: A Love Letter to Los Angeles mit mehreren Gastauftritten auf. Der Los Angeles Children’s Chorus begleitet eindrucksvoll Goldwing, während der brasilianische Gitarrist Romero Lubambo bei Billie Bossa Nova als Feature auftritt. Die größte Variation gegenüber dem Album trägt das Sinfonieorchester Los Angeles Philharmonic unter der Leitung von Dirigent Gustavo Dudamel in den Film.

Die Orchesterarrangements von David Campbell geben der Musik eine zusätzliche schwelgende Tiefe, ohne den Charakter von Eilishs Werken allzu sehr zu verändern. Die auffälligsten Akzente finden in Therefore I Am statt und steigern den Puls des vergleichsweise ausgelassenen Stücks. Ansonsten trägt das Orchester – wie die Bilder und das Licht – vor allem dazu bei, die Stimmung des Albums weiterzutragen. Happier Than Ever erwacht als melancholisches wie hypnotisierendes Konzert zum Leben.

Der von Alita: Battle Angel-Regisseur Robert Rodriguez und Patrick Osborne (Animator zahlreicher Disney-Filme) inszenierte Film findet nicht nur im Scheinwerferlicht statt. Zwischen den einzelnen Songs, die der Reihenfolge des Albums folgen, streifen kurze Sequenzen durch die nächtliche Stadt und lassen Animations- mit Live-Action-Elementen verschwimmen. Hier kommt der Liebesbrief aus dem Titel zum Vorschein – unaufdringlich, im Vorbeigehen. Impulse, die Stadt und Musik verschwimmen lassen.

Das Los Angeles, das Eilish in ihrem Film zeigt, strahlt die gleiche Ruhe und Gelassenheit aus, die auch viele Songs ihres neuen Albums begleiten. Genauso wie die Hollywood Bowl ist die Stadt verlassen von Menschen. Es existieren nur Lichter, die vom Leben künden und uns fragen lassen, welche Geschichte sich hinter ihnen verbirgt. Je nach Song kann sich die visuelle Gestaltung aber auch ändern. Manchmal beschwört der Film Blitze und Bewegungen herauf, die uns mitten ins Geschehen, mitten in ein zerreißendes Gefühl katapultieren.

Beitragsbild: Happier Than Ever: A Love Letter to Los Angeles © Disney+