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In the Heights – Kritik

Lights up on Washington Heights! Ein Jahr nach ihrem ursprünglich geplanten Kinostart erobert die Musical-Verfilmung In the Heights endlich die große Leinwand. Basierend auf der gleichnamigen Vorlage von Hamilton-Mastermind Lin-Manuel Miranda hat Step Up-Veteran Jon M. Chu einen energiegeladenen Streifzug durch die Straßen des New Yorker Stadtteils Washington Heights geschaffen. Der Film des Sommers ist kein Superhelden-Blockbuster. Er handelt auch nicht von Autos, die ins Weltall fliegen, oder Monstern, die sich im Neonlicht der Hongkonger Skyline prügeln. Stattdessen wird gesungen und getanzt, selbst wenn der Strom ausfällt.

Vieles, was In the Heights lebendig und ansteckend macht, kommt aus dem Musical. Die Geschichte, die Figuren und natürlich die Songs. Mirandas Melodien, seine Rhythmen und die Art und Weise, wie er Worte verbindet, sind mitreißend, erstaunlich und berührend. Doch In the Heights ist mehr als eine werktreue Umsetzung, die sich im Schatten des Originals versteckt. Jon M. Chu erweitert das Musical mit allen filmischen Mitteln, die ihm im Kino zur Verfügung stehen, was bereits in der Eröffnungssequenz überaus eindrucksvoll deutlich wird. Mit dem Einsetzen des ersten Klangholzes hört dieser Film nicht mehr auf, zu begeistern.

Die Geschichte dreht sich um Usnavi (Anthony Ramos), dem Besitzer eines kleinen Ladens im Herzen jenes Stadtteils, der dem Film seinen Titel verleiht. Er verkauft gekühlte Getränke, Lottoscheine und auch sonst alles, was man auf den letzten Drücker brauchen könnte, um durch den Tag, den Abend oder die ganze Nacht zu kommen. Usnavis Laden fühlt sich wie das Drehkreuz der Nachbarschaft an, von Abuela Claudia (Olga Merediz) bis hin zum Kevin Rosario (Jimmy Smits), dem Besitzer eines Taxiunternehmens, kommen alle wichtige Menschen durch Usnavis Tür – auch Vanessa (Melissa Marrera), in die er heimlich verliebt ist.

Und dann wäre da noch Nina (Leslie Grace), die Tochter von Kevin Rosario. Sie hat es aus Washington Heights herausgeschafft und besucht die prestigeträchtige Universität Stanford. Doch zu Beginn des Films kehrt sie in ihre Heimat zurück, in der sie sich geborgener fühlt, was nicht zuletzt an dem charmanten Benny (Corey Hawkins) liegen könnte. Doch Nina kämpft mit ganz anderen Problemen. Eines davon sind die Erwartungen, die nicht nur ihr Vater, sondern die gesamte Nachbarschaft an sie stellen. Sie ist Washington Heights strahlende Hoffnungsträgerin. Alle Augen sind auf sie gerichtet. Nina kann sich keinen Fehltritt erlauben.

Diese Ausgangssituation nutzt Jon M. Chu, um in stickige Hinterhöfe und verborgene Gassen zu entführen. Dort entdeckt er Träume, Wünsche und Sehnsüchte. Immer wieder ist von der Dominikanischen Republik als weit entferntes, unerreichbares Paradies die Rede. Doch Chus Bilder finden auch in den belebten Straßenzügen von Washington Heights ein Paradies, wenn sich etwa die letzten Sonnenstrahlen legen und den ganzen Stadtteil in eine verträumte Welt verwandeln, in der selbst die Gesetze der Physik keine Rolle spielen. Alles, was Chu in seinem Film zeigt, verformt sich mit den Songs und folgt den Bewegungen der Figuren.

Jeder Gegenstand ist ein Instrument, jeder Schnitt dem Takt der Musik verschrieben. Würde man nicht sowieso schon an den Lippen des Ensembles kleben – Chus extrem dynamische Inszenierung zieht pausenlos in den Bann. Sie ist aufregend, elektrisierend und trotz all der verspielten Elemente, die ihren eigenen Tanz aufführen, ganz nah bei den Figuren. Sobald Wasser durch die Gegend spritzt (seit Step Up 2: The Streets Chus Signature Move) und sich die Kamera mit Menschenmassen im Pool dreht, hat In the Heights ein Level an Spektakel erreicht, das dem eines Sommer-Blockbusters mehr als würdig ist. Jede Faser dieses Films strotzt vor Energie und Liebe.

Die Kamera beobachtet Körper und Gesichter – strahlende, müde und traurige Augen. In the Heights ist ein Film, der von Niederlagen wie Erfolgen erzählt. Die Figuren sind hin- und hergerissen, zwischen dem, was ist, und dem, was sein könnte. All diese Möglichkeiten pulsieren mit den Liedern. Genauso schnell, wie die Musik das Genre wechselt, verändert sich die Stimmung. Mal bewegt sich In the Heights im dramatischen Fahrwasser von West Side Story, mal ist die Hitze von Do the Right Thing zu spüren – und dann wechselt Chu in puren Eskapismus und verliert sich in einer utopischen Musical-Extravaganz, die mühelos mit Baz Luhrmanns Filmen tanzen könnte.

Beitragsbild: In the Heights © Warner Bros.